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14. JUNI 2024

Posted on 29/05/2024 by admin

Bald ist es so weit: Der feministische Streik 2024 steht vor der Türe!
Verschiedene Arbeitsgruppen (AG Demo, AG Technik, AG Programm, etc.) sind seit
Februar 2024 fleissig am Planen und Organisieren.
Das Programm und die Details werden laufend erweitert.
Die hier aufgeschalteten Programmpunkte sind aber schon fix.


PROGRAMM

09.00-10.30 Uhr
Brunch beim Inseli

14.00 Uhr                
Start Vögeligärtli

14.00-15.24 Uhr      
Offenes Programm mit Beisammensein, Postkarten schreiben, Transpi malen,
Kinderprogramm, Infoständen von verschiedenen Organisationen und Parteien,
Tombola, u.v.m.

15.24 Uhr                   Feministischer Feierabend – wir machen gemeinsam
Lärm! Bring deine Stimme, Trillerpeife, Kochtöpfe, etc. mit.

15.30-17.30 Uhr        Feministische Reden und Konzert von ENL Es gibt eine
Offene Bühne! Bring deinen Text mit.

17.30 Uhr                   
Drag Performance von Coochie Waters und Infos zur Demo

18.00 Uhr                   
Start Demo: Beim ersten Glockenschlag der Lukaskirche laufen wir los

Ca. 20.00 Uhr             
Ende Demo beim Inseli

Bis 22.00 Uhr             
DJ’s und Ausfeiern beim Inseli


UNSERE FORDERUNGEN

Das feministische Streikkollektiv orientiert sich an den Forderungen vom
letztjährigen Streik, welche an einer Assise im März 2024 von mehreren
Streikkollektiven der Schweiz definiert wurden.

Du findest die Forderungen HIER. 

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Demo, Femstreik, Inseli, Luzern, Vögeligärtli | Leave a comment


VERTREIBUNG, VERTEUERUNG UND WIDERSTAND: ZÜRICH WEHRT SICH GEGEN DIE WOHNKRISE

Posted on 27/05/2024 by admin

In vielen Quartieren Zürichs organisieren sich Mieter:innen gegen Abriss und
Verdrängung. Auf die Sozialdemokratie und Genossenschaften können wir uns dabei
aber nicht verlassen.

Dieser Artikel erschien im 1. Mai-Extrablatt der Organisierten Autonomie Zürich.

Die Temperaturen lagen nur knapp über dem Gefrierpunkt und es regnete in
Strömen. Trotzdem demonstrierten am 4. November 2023 über fünftausend Menschen
gegen die Wohnungskrise. Es war der vorläufige Höhepunkt eines stadtpolitisch
bewegten Jahres: Bereits im Februar 2023 trugen rund dreitausend Menschen ihre
Wut über die Räumung des besetzten Koch-Areals auf die Strasse. Im Zuge der
Kampagne «alles wird besetzt» wurden mehrere Häuser besetzt. In vielen
Quartieren Zürichs organisieren sich Mieter:innen gegen den Verkauf ihrer Häuser
sowie gegen Mieterhöhungen und Kündigungen.

Unsere Krise – ihre Profite

In der Stadt Zürich betrug die Leerwohnungsziffer im Jahr 2023 nur 0.06 Prozent
– das sind 144 Wohnungen. Die Mieten stiegen allein im letzten Jahr um sechs
Prozent an. Seit 2005 sind sie geradezu explodiert: Bei bestehenden
Mietverträgen stiegen sie um 15 Prozent, bei Neumieten sogar um 39 Prozent. Die
immens höheren Preise bei den Neumieten betreffen vor allem diejenigen, die sich
aufgrund von Sanierungen ihre ehemalige Wohnung nicht mehr leisten können und
keine neue Bleibe in der Stadt finden.

Grossdemo gegen die Wohnungskrise am 04.11.2023. Am 25.05.2024 findet erneut
eine Wohndemo statt.

Beim Immobilienkapital herrscht derweil Goldgräberstimmung. In der ganzen Stadt
wird günstiger Wohnraum teuer saniert oder gleich ganz abgerissen, um aus
luxuriösen Appartements und Ersatzneubauten noch mehr Kohle als zuvor
rauszuholen. Immobilien gelten als «sichere Wertanlagen» mit Potential zur
Wertsteigerung, weshalb Banken, Versicherungen und Pensionskassen gerade in
Krisenzeiten ihr Kapital in diesen Sektor pumpen. Institutionelle Anleger kaufen
Immobilien und sanieren, was das Zeug hält. So werden die Preise und Mieten nach
oben getrieben. Die grösste Immobilien-Besitzerin der Stadt ist die UBS, gefolgt
von der Swiss Life. Mit unseren Mieten bezahlen wir deren Dividenden.

Gentrifizierung als Erfolgsmodell der Sozialdemokratie

Auch die linken Parteien – allen voran die SP – haben die Wohnungskrise als
Wahlkampfthema entdeckt. Sie prangern die Verhältnisse lautstark an und haben
mehrere städtische und kantonale Initiativen lanciert. Dabei wird die Stadt
Zürich seit dreissig Jahren von einer links-grünen Mehrheit regiert. Diese geht
nicht gegen die Gentrifizierung vor – ganz im Gegenteil, sie ist ihr
Erfolgsmodell.

In den 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre befand sich die Stadt Zürich in der
Krise. Zwischen 1998 und 2002 gingen 40’000 Arbeitsplätze verloren. Wer es sich
leisten konnte, zog in die Agglomeration. Zurück blieb eine sogenannte
«A-Stadt», bewohnt von Armen, Alten, Arbeitslosen und Ausländer:innen. Für die
Bewohner:innen bedeutete das aber auch günstige Mieten und viel Platz: In dieser
Zeit begann auch die Hochphase der Hausbesetzer:innen-Bewegung.

Die rot-grüne Stadtregierung tat einiges um Zürich wieder hip zu machen. Sie zog
Dienstleistungsunternehmen – insbesondere im Finanz- und IT-Bereich – an, welche
die abgewanderte Industrie ersetzten. Bekanntes Beispiel hierfür ist der
Technopark in Zürich-West. Auch als Standort für Bildung und
Gesundheitsdienstleistungen gewann die Stadt an Bedeutung. Dank der entstandenen
Arbeitsplätze zogen wieder mehr gutverdienende Menschen nach Zürich.

Die Armen wurden dagegen aus dem Stadtbild vertrieben: Öffentliche Plätze wurden
umgestaltet, Kameraüberwachung ausgebaut und immer mehr Sozialarbeiter:innen und
Polizei auf Drogenabhängige, Prostituierte, Obdachlose und Bettler:innen
losgelassen. Die offene Drogenszene rund um den Letten wurde geschlossen. Dort,
im Kreis 5, stiegen die Immobilienpreise in den letzten 15 Jahren am Stärksten.

Demo gegen die Räumung des besetzten Kochareals, 18.02.2023

Die SP und die Grünen betreiben ihre erfolgreiche Standortpolitik bis heute.
Standortpolitik heisst, finanzkräftige Unternehmen und Bewohner:innen
anzuziehen. Das zeigt sich sehr gut am Beispiel Google. Die Wirtschaftsförderung
von Stadt und Kanton Zürich haben einen sehr hohen Aufwand betrieben, damit sich
der US-Konzern hier ansiedelt. Sie lockten mit Steuervergünstigungen und
besonders einfachem Zugang in administrativen Fragen – etwa bezüglich
Arbeitsvisa. In der Stadtverwaltung wurde dazu eigens ein «Google-Desk»
eingerichtet. Während auf Geflüchtete nur Bunker, Behördenwillkür und
Bullenkontrollen warten, wird für die Förderung des Wirtschaftsstandorts gerne
ein bisschen an der Visa-Vergabepraxis geschraubt.

Mit Google kamen auch tausende von gutverdienenden Expats nach Zürich, welche
die Nachfrage nach teuren Wohnungen und Business-Appartements in die Höhe
trieben. Für die Stadtregierung ist das eine gute Sache, es winken
Einkommenssteuern und Immobilienboom. Den Preis bezahlen aber all die
Mieter:innen, deren Wohnungen nun luxussaniert werden.

Sind Genossenschaften unsere Genossinnen?

Die Verdrängung betrifft je länger desto mehr nicht mehr nur ärmere Menschen,
zunehmend auch das mittelständische sozialdemokratische und grüne Milieu. Der
Widerstand gegen die Gentrifizierung wird immer breiter, darum müssen sich die
SP und die Grünen etwas einfallen lassen. Sie setzen in ihrer Politik
insbesondere auf den genossenschaftlichen Wohnungsbau. Dessen Anteil ist in
Zürich relativ hoch und soll noch weiter steigen. Die städtische
Sozialdemokratie und die Genossenschaften sind eng miteinander verbunden – ein
Erbe aus einer Zeit, in der die SP noch in der Arbeiter:innen-Bewegung verankert
war.

Doch die Genossenschaften mischen in der Wohnungskrise ordentlich mit. Das zeigt
sich etwa in Schwamendingen. In diesem Quartier am Zürcher Stadtrand wurde in
der Nachkriegszeit viel Wohnraum für die Arbeiter:innen gebaut, die in den
Fabriken in Oerlikon schufteten. Diese Häuser sind heute in die Jahre gekommen,
aber die Mieten sind günstig. Viele arme Leute, Migrant:innen, ältere Menschen
und Familien leben hier. Die Stadt behauptet gerne, dass Gentrifizierung in
Schwamendingen kein Problem sei, da viele Siedlungen Genossenschaften gehören.
Doch die Realität vor Ort ist eine andere: Ganze Häuserzeilen werden
leergekündigt und abgerissen. An ihrer Stelle entstehen Ersatzneubauten, die
sich die jetzigen Bewohner:innen niemals leisten können. Viele wissen nicht
wohin. Die Genossenschaften schreiben sich auf die Fahnen, «nachhaltig»,
«sozial» und «ökologisch» zu sein. Aber sie schmeissen ihre Mieter:innen raus
und bieten ihnen keine anderen Wohnungen.

Wie in verschiedenen anderen Stadtteilen wehren sich die Menschen auch in
Schwamendingen gegen diese Entwicklungen und organisieren sich – etwa im
Mietenplenum. Im April nahmen über hundert Personen an einer Kundgebung auf dem
Schwamendingerplatz teil. Es kursierten verschiedene Ideen, was gegen steigende
Mieten und Wohnungsnot unternommen werden kann: Gegenseitige Unterstützung bei
der Wohnungssuche, symbolische Massenbewerbungen oder Petitionen an die Politik.
Da und dort war auch zu hören, dass man die Immobilienkonzerne doch einfach
enteignen und leerstehende Häuser besetzen sollte.

Kundgebung gegen die Wohnungskrise in Zürich Schwamendingen, 06.04.2024

Widerständige Quartiere schaffen

Die selbstständige Aneignung von Wohnraum – also das Besetzen von Häusern – ist
ohnehin eines der besten Mittel gegen Wohnungsnot. Doch gerade in letzter Zeit
verschärft die Stadt ihre Räumungspraxis und betreibt einen grossen Aufwand, um
Hausbesetzungen zu verhindern. Auch hier sieht man, auf welcher Seite die SP und
die Grünen stehen.

Andere Formen des Widerstands, die in Zürich noch nicht erprobt wurden, sind
Mietstreiks. Dabei entschliessen sich die Mieter:innen, die Mieten ganz oder
teilweise nicht zu bezahlen. In den 1970erJahren wurde in Italien die Praxis der
«autoriduzione» angewandt, bei der die Nebenkosten quasi selbstständig gesenkt
wurden. In einigen europäischen Städten gibt es zudem Bündnisse, die versuchen,
Zwangsräumungen zu verhindern. Meist finden solche Zwangsräumungen lautlos
statt. Sie öffentlich zu machen und die Nachbarschaft dagegen zu mobilisieren,
macht sie sichtbar und erzeugt Solidarität im Quartier.

Aus den Erfahrungen der vielen Initiativen und Kämpfe, die momentan in Zürich
stattfinden, kann die Bewegung wichtige Erkenntnisse ziehen. Der Widerstand
gegen die Wohnungskrise wird sich weiter zuspitzen und die Kämpfe werden
intensiver werden. Wir wollen dabei immer die Selbstorganisierung der
Proletarisierten ins Zentrum stellen. Denn damit sich irgendwas grundlegend
ändert, muss sich die Bewegung zu einer Klassenbewegung ausweiten.

Die Gentrifizierung ist ein Angriff des Kapitals auf die proletarische
Bevölkerung. Wir dürfen aber nicht vergessen: Die Wohnkrise steht nicht für sich
alleine. Sie ist ein Ausdruck des krisenhaften Kapitalismus. Die Wohnungskrise
ist Teil der Krise der sozialen Reproduktion. Die steigenden Mieten gehen mit
steigenden Preisen für Lebensmittel, höheren Energiekosten und teureren
Krankenkassenprämien einher. Dazu kommen die Flexibilisierung und Prekarisierung
der Arbeitsverhältnisse. Immer mehr von uns haben Schwierigkeiten, ihr Leben zu
bestreiten.

Die Kämpfe gegen steigende Mieten gehören also zusammen mit den Kämpfen um
höhere Löhne, für bezahlbare Lebenshaltungskosten, für den Zugang zu sozialer
und medizinischer Versorgung, für körperliche Selbstbestimmung,
Bewegungsfreiheit und Bleiberecht für alle. Es liegt auf der Hand, dass wir uns
nicht auf die Versprechen der Politik verlassen, mag sie noch so sozial und grün
daherkommen. Vielmehr müssen wir in allen Bereichen des Lebens auf unsere
eigenen Kräfte setzen. Auf ihre Wohnungskrise antworten wir mit unserer
Klassensolidarität und kollektivem Widerstand!

Demo: Eine andere Stadt ist möglich!, 25.05.2024, 14 Uhr, Landesmuseum Zürich

Aufruf in verschiedenen Sprachen: www.wohndemo.ch

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Krise, Wohnkrise, Zürich | Leave a comment


ERFOLGREICH MOBILISIERT

Posted on 17/05/2024 by admin

Quelle: https://jungle.world/artikel/2024/20/erfolgreich-mobilisiert

Am 1. Mai demonstrierte die schwedische syndikalistische Gewerkschaft SAC
unabhängig von den sozialdemokratischen und linken Parteien im Zentrum
Stockholms.



Stockholm. Der Auftaktort der syndikalistischen Demonstration zum 1. Mai in
Stockholm bot einen für linksradikale Veranstaltungen ungewöhnlichen Anblick:
Die Rednerinnen standen in einer mit schwarz-roten Fahnen geschmückten
Betonkanzel. Diese war von der sozialdemokratischen Stadtregierung gebaut
worden, damit der tiefer gelegene Vorplatz des Hauptbahnhofs zwischen
Einkaufsstraße und der verkehrsberuhigten sechsspurigen Hauptstraße, die fast
nur noch von Straßenbahnen, Radfahrern und Lieferfahrzeugen befahren wird,
besser für Demonstrationen genutzt werden kann.

Aufgerufen zur Demo hatte die Sveriges Arbetares Centralorganisation (SAC), die
1910 von Arbeitern gegründet worden war, die mit der Politik des
Gewerkschaftsbunds unzufriedenen waren. Die SAC »ist eine der ganz wenigen
Anfang des 20. Jahrhunderts gegründeten syndikalistischen Gewerkschaften, die
kontinuierlich bis heute arbeiten«, ohne Verbote oder Spaltungen, sagte
SAC-Generalsekretär Gabriel Kuhn 2023 der deutschen Zeitung Analyse & Kritik.

> Die Forderung einer Verkürzung der täglichen Lohnarbeitszeit mit der
> Begründung, dass die Produktivität seit Jahrzehnten immer weiter steige, stößt
> in Nordeuropa bei vielen auf Interesse.

Die 1.-Mai-Demonstration hat eine 100jährige Tradition. »Wir haben Demo-Fahnen
von 1920«, erzählt SAC-Aktivist Elvin der Jungle World. Er verdient seinen
Lebensunterhalt als Sicherheitsmitarbeiter in der Stockholmer U-Bahn. Dem
Demonstrationszug schlossen sich ungefähr 2.000 Menschen an, die gesittet nur
auf einer Fahrbahn liefen und den entgegenkommenden Verkehr nicht behinderten.
Einer kleinen Gruppe am Rand stehender rechter Gegendemonstranten, die
Unterschriften sammelten für einen Austritt Schwedens aus der EU und Schilder
mit Aufschriften wie »Sozialismus = böse« in Richtung der Syndikalisten
schwenkten, schenkten die Demoteilnehmer wenig Beachtung. Thematisch war der
Gaza-Krieg insgesamt weniger präsent als erwartet und bis auf wenige Ausnahmen
hielten sich die Demonstranten an das von der SAC aufgelegte
Nationalfahnenverbot.

Der Zug wurde von SAC-Aktivisten mit Bauarbeiterhelmen angeführt. Elvin
berichtet, dass seine Organisation derzeit stark durch die Solidariska Byggare
(Solidarische Bauarbeiter) und die neu gegründete Reinigungsgewerkschaft
innerhalb der Stockholmer SAC wächst. Die Organisation stecke Ressourcen in
Dolmetscher und die Organisation von migrantischen Arbeitern, für die sich die
sozialdemokratischen Gewerkschaften nicht sonderlich interessierten. Deshalb sei
2023 das Bausyndikat in Stockholm von 389 auf 722 Mitglieder angewachsen. Das
liege vor allem an Blockaden und Besuchen von »kriminellen Baufirmen«, die ihre
Arbeiter nicht bezahlten.

Deren juristischen Kampf um vorenthaltene Löhne unterstützt die SAC – so wie bei
der Putzkraft Chilo. Sie arbeitete für ein Subunternehmen einer Putzfirma als
Reinigungskraft im Haushalt der ehemaligen sozialdemokratischen
Ministerpräsidentin Magdalena Andersson. Chilo wurde von der Polizei
festgenommen, weil sie keine Aufenthaltserlaubnis hatte, nachdem sie in
Anderssons Haus versehentlich einen Alarm ausgelöst hatte. Vor kurzem erstritt
Chilo vor Gericht, vertreten durch die Stockholmer SAC, den Anspruch auf ihren
Lohn.

In der Debatte darüber in den schwedischen Medien sei es eher um ein
»Sicherheitsrisiko« für Andersson gegangen, das mit einem unkontrollierten
Subunternehmertum und einer »illegalen« Migrantin im Haus einhergehe, als um den
Skandal, dass das Subunternehmen illegalisierte Arbeitskräfte ausbeutete und als
Reinigungshilfen anbot, so Elvin. Nur die Stockholmer Syndikalisten zeigten
Interesse daran, Chilo gegen ihren Arbeitgeber zu vertreten.


DER TRADITIONELLE 1.-MAI-MARSCH DER SOZIALISTISCHEN VÄNSTERPARTIET MOBILISIERTE
ÜBER 20.000 DEMONSTRANT:INNEN

Kaum ein Steinwurf entfernt vom Endpunkt der syndikalistischen Demonstration am
Stortorget in der Altstadt lief der traditionelle 1.-Mai-Marsch der
sozialistischen Vänsterpartiet (Linkspartei). Sie konnte in Stockholm über
20.000 Demonstrant:innen mobilisieren, die sozialdemokratische Sveriges
socialdemokratiska arbetareparti (SAP) 6.000 Menschen. Beide Parteien gewinnen
derzeit in Umfragen an Zustimmung und profitieren davon, dass die Politik der
schwedischen Mitte-rechts-Regierung unter Ministerpräsident Ulf Kristersson
(Moderata samlingspartiet; Moderate Sammlungspartei) teils unbeliebt ist.
Kristersson führt eine Minderheitsregierung, die von den rechtspopulistischen
Sverigedemokraterna (Schwedendemokraten) toleriert wird.

Die Vänsterpartiet hatte einen Nato-Beitritt kategorisch abgelehnt. 2021 hatte
sie zudem ein Misstrauensvotum gegen den damaligen Ministerpräsidenten Stefan
Löfven unterstützt, das von den Schwedendemokraten initiiert worden war, nachdem
Löfvens sozialdemokratisch-grüne Minderheitsregierung eine Liberalisierung ihrer
Mietmarktpolitik angekündigt hatte. Sowohl bei der Demonstration der
Vänsterpartiet als auch bei den Syndikalisten der SAC konnte man die Parole
hören: »Vi vill ha sex timmars arbetsdag!« (Wir wollen den
Sechs-Arbeitsstunden-Tag!)

Die Forderung einer Verkürzung der täglichen Lohnarbeitszeit mit der Begründung,
dass die Produktivität seit Jahrzehnten immer weiter steige, stößt in Nordeuropa
bei vielen auf Interesse. In Schweden werden bereits seit 2015 stellenweise
Sechsstundentage ohne Lohnkürzung erprobt, in Dänemark und Norwegen in einzelnen
Gemeinden eine Viertagewoche mit 35 Stunden. Den umfangreichen Protesttag
beendete eine kleine Demo der Stockholmer Anarchisten von rund 200 Personen.
Dort galt offenbar kein Nationalfahnenverbot, denn den Demozug führte eine
Palästina-Fahne als Fronttransparent.

Posted in Anarchismus, Antiimperialismus, Arbeitskampf, Aus aller Welt | Tagged
anarchismus, linksradikal, SAC, Schweden, Sveriges Arbetares Centralorganisation
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STAATSTERROR AN UNIS

Posted on 03/05/2024 by admin

USA: Studentenproteste mit riesigem Polizeiaufgebot niedergeschlagen.
Protestcamps in Los Angeles und New York geräumt

Quelle:
https://www.jungewelt.de/artikel/474561.friedensbewegung-staatsterror-an-unis.html

Die Proteste an mehr als 30 US-amerikanischen Universitäten dauern an, und die
gewalttätige Repression von seiten der Polizei nimmt zu. Hunderte von
propalästinensischen Demonstrierenden wurden auch diese Woche verhaftet.
Landesweit sollen Schätzungen von US-Medien zufolge mehr als 1.700 Personen
festgenommen worden sein.

Die Forderungen der Studierenden richten sich in erster Linie an ihre
Universitätsleitungen: Akademische Einrichtungen sollen ihre
Geschäftsbeziehungen mit Israel und Unternehmen aufgeben, die mit dem Krieg des
israelischen Militärs im Gazastreifen in Verbindung stehen. Ein Protest an der
Brown Universität im US-Bundesstaat Rhode Island zeigte bereits Erfolge. Dort
räumten Studenten ihr Protestcamp bereits am Dienstag nachdem die Unileitung
erklärt hatte im Oktober über den Abzug der Investitionen abstimmen zu lassen.
»Als Fakultätsmitglied, dem die Meinungsfreiheit am Herzen liegt«, erklärte
Sarah Phillips, Professorin für Anthropologie an der Indiana State University am
Mittwoch gegenüber National Public Radio, bevor sie am Wochenende auf dem Campus
verhaftet wurde, »sehe ich es als meine Pflicht an, meine Stimme zu erheben«.

David Swanson/REUTERS Polizeieinsatz mit Tränengas und Gummigeschossen an der
University of California, Los Angeles

Am Mittwoch abend versammelten sich Hunderte von Polizeibeamten in
Einsatzkleidung auf dem Campus der University of California in Los Angeles
(UCLA), um das Protestcamp zu räumen, das in der Nacht zuvor von Unterstützern
der israelischen Regierung angegriffen worden war. Die chaotischen Szenen
ereigneten sich nur Stunden nachdem die New Yorker Polizei am Dienstag abend in
ein von Kriegsgegnern besetztes Gebäude an der Columbia University eingedrungen
war und über 300 Demonstranten verhaftet hatte. Um drei Uhr morgens begann die
Polizei mit einem gewaltigen Aufgebot unter Einsatz von Tränengas und
Gummigeschossen zunächst die mit Holz verstärkten Barrikaden und schließlich das
gesamte Camp zu räumen. Bis zum Morgengrauen sollen laut Polizeiangaben mehr als
130 Demonstranten festgenommen worden sein.

Zwei »weltweit führende Holocaustforscher« mit israelischer Staatsbürgerschaft,
Raz Segal und Omer Bartov, hatten sich am vergangenen Freitag am Protestcamp der
University of Pennsylvania getroffen. Bartov erklärte danach gegenüber dem
US-Medium Democracy Now, »es gab keinerlei Anzeichen von Gewalt oder
Antisemitismus« und warnte davor, dass der Vorwurf des Antisemitismus dazu
benutzt werde, um israelkritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Mike Blake/REUTERS Einsatzkräfte mit einem am Boden liegenden Demonstranten an
der University of California, Los Angeles

In Washington hat das US-Repräsentantenhaus am Mittwoch ein Gesetz zur
»Sensibilisierung für Antisemitismus« verabschiedet. Sollte der Senat in den
kommenden Tagen zustimmen, wird die Definition der Internationalen Allianz zum
Holocaustgedenken (IHRA) zum »Orientierungspunkt« für das Bildungsministerium.
Antisemitismus ist demnach »eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als
Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort
oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren
Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse
Einrichtungen«. Dass es den Protestierenden vornehmlich um ein Ende des Krieges
in Nahost geht, der von der US-Regierung massiv mitgetragen wird, scheinen die
hohen politischen Kreise bislang zu ignorieren.

Posted in Antiimperialismus, Pazifismus | Tagged Gaza, Israel,
Studentenproteste, USA | Leave a comment


1. MAI 2024: GRENZEN SPRENGEN – PERSPEKTIVEN ERKÄMPFEN!

Posted on 29/04/2024 by admin

Heraus zum 1. Mai 2024

Nichts bleibt, wie es ist, und die alte Ordnung bröckelt. Der kriselnde
Kapitalismus treibt alle vor sich her. Die Dominanz des westlichen Imperialismus
wird immer stärker durch sich verändernde und neue Machtblöcke in Frage gestellt
– mit allen ökonomischen und kriegerischen Eskalationsgefahren. Auch das
bürgerlich-demokratische Herrschaftssystem hierzulande sieht sich mit einer
Repräsentationskrise konfrontiert. Die Herrschenden arrangieren sich mit
autoritäreren Lösungen zur Sicherung ihrer Profite. Und eigentlich wissen alle,
dass die kapitalistische Jagd nach Kapitalverwertung die natürlichen Grundlagen
des Überlebens der Menschheit untergräbt.

Der Kapitalismus hat keine Perspektive mehr. Um so wichtiger ist es für die
Herrschenden, den Ausgebeuteten und Unterdrückten einzureden, dass es keine
Alternative gäbe. Dabei ist es eben der Untergang ihrer Ordnung, die unsere
Perspektive ist. Dass eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus möglich ist,
dass die Wurzeln einer neuen Gesellschaft schon heute in den Kämpfen gegen oben
und in der Solidarität untereinander liegt, wird weltweit am 1. Mai sichtbar.

Grenzen sprengen – Perspektiven erkämpfen

AGENDA FÜR DEN 1. MAI


Basel: 1. Mai Fest, 27.4. 13.00 Kaserne // Demo 10.00 Messeplatz
Winterthur: Demonstration, 1.5. 10.30 Steinberggasse
Zürich: Politwochenende, 27.4./28.4. Kanzlei-Areal // Revolutionärer Block, 1.5.
9.30 Helvetiaplatz / Ni-Una-Menos-Platz // Revolutionärer Treff, 1.5. 12.00
Kanzlei-Areal // Revolutionäre Demo, 1.5 15.00 Zürich

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Veranstaltungen | Tagged 1. Mai, Ausbeutung, Imperialismus, Kapitalismus | Leave
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DIE SVP UND DIE “REMIGRATION”

Posted on 22/04/2024 by admin

Quelle: https://www.antifa.ch/die-svp-und-die-remigration/

Alle reden über die Kontakte der Jungen SVP-Strategiechefin Sarah Regez zur
Jungen Tat. Doch sie ist nicht die einzige Politikerin, die mit den Mitgliedern
der rechtsextremen Gruppierung die Hände schüttelt. Wer das alles ist und warum
das ein Problem darstellt, wird im Folgenden aufgezeigt.


REMIGRATION – KAMPFBEGRIFF DER NEUEN RECHTEN

Der Begriff „Remigration“ kam in den Diskussionen der Neuen Rechten in den
1960er-Jahren auf, wurde aber erst Anfang der Nullerjahre mit dem Erstarken der
Identitären Bewegung in Frankreich zum Kampfbegriff von Neonazis und
Rechtspopulist*innen. Im Kern ist es die Forderung nach der Abschiebung aller
„nicht europäischen“ Menschen aus Europa. 

Mit „Remigration“ sind drei weitere wichtige Konzepte der Neuen Rechten
verbunden.

Erstens ein neuer Kulturbegriff: Kultur wird zum entscheidenden
Identifikationsmerkmal einer Gruppe. Sprach man im Nationalsozialismus von „Blut
und Boden“, sprechen Rechtsextreme heute von „Kultur“. Genau wie Blut, kann ein
Mensch seine Kultur laut deren Ideologie nicht verändern. Nichteuropäische
Menschen können sich somit nie integrieren oder assimilieren, sie bleiben
„artfremd“.

Zweitens wird Migration nicht als ein historisches Kontinuum begriffen, sondern
als ein gesteuerter Prozess, der das Ziel hat, die europäische Bevölkerung
„auszutauschen“. Somit sei Migration ein Angriff auf die europäische Kultur, den
es zu parieren gilt. Da es keine Integration oder Assimilation gebe, müssten
alle „artfremden“ Menschen aus Europa deportiert werden. 

Drittens seien demokratische Strukturen das Einfallstor in unsere Gesellschaft.
Durch die Integration von Migrant*innen erhalten diese politische Rechte. Laut
Martin Sellner, Vordenker der Identitären, eine „demokratische Biowaffe“. Da
Nicht-Europäer*innen grundsätzlich anders seien, würden sie die europäische
Gesellschaft von innen zerstören.

Die neurechte Erzählung knüpft direkt an den Narrativen der Nazis an – nur mit
anderen Begriffen. Sprachen die Nazis von „den Deutschen“, sind es heute „weisse
Europäer“. Wollten die Nazis 1940 alle Juden nach Madagaskar umsiedeln, sollen
heute „artfremde“ Menschen nach Zentralafrika ausgeschafft werden. Waren für die
Nazis das „Weltjudentum“ die Hintermänner, sind es heute die „Globalisten“. 


JUNGE TAT UND RECHTE IDENTITÄT

Gestartet als Eisenjugend Schweiz , bekannt geworden mit Videos vermummter
Männern und berüchtigt durch vorgelesene Texte von Heinrich Himmler legte die
Junge Tat einen bemerkenswerten Aufstieg hin. Aus einer losen Gruppe junger
verschüpfter Männer bildete sich eine Kerngruppe rund um Manuel Corchia, die
sich medial zu inszenieren weiss. Eloquent behaupten sie heute, nichts gegen
jüdische Menschen zu haben und friedliche Aktivist*innen zu sein. Sie pflegen
gute Kontakte zu etablierten politischen Akteur*innen. Vor knapp drei Jahren
verbrannten die Führungspersonen noch Isrealfahnen, störten Vorträge mit „Heil
Hitler“-Rufen und lamentierten gegen das „bolschewistische Weltjudentum“. Man
ging mit italienischen Rechtsterrorist*innen wandern, teilte das Manifest des
Christchurch Attentäters und hortete zu Hause Schusswaffen.

Heute finden die Aktionen der Jungen Tat im sogenannten „politischen Vorfeld“
statt. Mit Aktionen auf der Strasse und immer mehr Präsenz in Sozialen Medien
werden gezielt die aktuellen Themen und Debatten der Rechtspopulist*innen
aufgegriffen und befeuert.

Ihre Veranstaltungen, Boxtrainings und Wanderungen haben politisch keine
Relevanz und sind nur mässig besucht. Es geht viel mehr um die eigene Identität
als männliche, wehrhafte und unangepasste Kämpfer. Diese Identität ist
anschlussfähig an die politische Kultur der Rechtspopulist*innen. Die gemeinsame
Identität ist Grundlage für ein kameradschaftliches Miteinander und somit das
Fundament für einen europäischen Kulturkampf.


JUNGE TAT UND DIE JUNGE SVP – ONE LOVE?

Die medial inszenierten Diskurse der Jungen Tat finden Resonanz bei der Jungen
SVP und der SVP – allen voran Gender, Wokeness und Remigration. Der Begriff der
„Remigration“ hätte es wohl auch ohne die Junge Tat in den Sprachgebrauch der
SVP geschafft. Zu vernetzt ist die europäische Rechte, zu stark der Einfluss
neurechter Theorien auf die SVP. Doch die Junge Tat hat diesen Prozess
beschleunigt und den Begriff in einen medialen Hype verwandelt.

In ihrem Podcast, sowie in Gesprächen mit anderen Rechten erklärt die Junge Tat
die Strategie, mit der sie das Konzept der „Remigration“ in die Gesellschaft
tragen will: Über Lokalpolitiker*innen, insbesondere der SVP. Diverse
Politiker*innen seien bereits daran, den Begriff in den gesellschaftlichen
Diskurs einzubringen und bald werde das Konzept breiter diskutiert werden, so
ihr Plan. 

Foto 1: JT-Aktivist Tobias Lingg und SVP Politiker Jonas Streule

Ein solcher Lokalpolitiker ist Jonas Streule, Präsident der SVP Eggersriet. Er
ist befreundet mit Tobias Lingg, einem der Anführer der Jungen Tat, und besucht
mit diesem Veranstaltungen. Beispielsweise eine Demonstration der
Corona-Massnahmengegner*innen im Herbst 2023 in Sissach. [Foto1] Auf Fotos zeigt
Streule stolz das „White Power“-Zeichen. 

Oder Maria Weggelin. Auch sie ist aktiv bei den Massnahmengegner*innen und
musste wegen ihrer engen Kontakten zur Jungen Tat schliesslich von ihrem Amt als
Präsidentin der SVP Winterthur zurücktreten. Warum bei ihr der Rücktritt
gefordert wurde, während Streule, der dieselben Verbindungen pflegt, sein Amt
weiterhin ausführt und im März 2024 für die SVP kandidieren durfte, bleibt
unklar.

Joel Kaufmann, damaliger Präsident der SVP Buchs und Vizepräsident der Jungen
SVP St. Gallen, ist ein anderes Beispiel. Kaufmann war aktives Mitglied der
Jungen Tat und an zahlreichen Aktionen mit dabei. Als Aktivist stand er für die
Rechtsextremen auf der Strasse, gleichzeitig gründete er auf politischer Ebene
zusammen mit dem SVP-Nationalrat Mike Egger den „Verein für sichere Grenzen“. So
konnte auch hier das Narrativ der Jungen Tat platziert werden.

Carla Anaba Olinga-Holtz, SVP Dietikon, ist eine weitere SVP-Verbindung, die
freundschaftlichen Kontakt zu Mitgliedern der Jungen Tat pflegt. Sie befindet
erst am Anfang ihrer Politisierung und steht beispielhaft für den Einfluss der
Jungen Tat auf Jugendliche.

Die Strategie mit den Lokalpolitiker*innen ging zumindest im Falle Sarah Regez
(fast) auf: Sie dürfte die Aktivist*innen der Jungen Tat ebenfalls aus dem
Massnahmengegner*innen-Kontext kennen – damals als noch unbedeutende
SVP-Politikerin aus Sissach. Im Frühling 2023 nahm sie an einem Geheimtreffen
mit der Jungen Tat teil. Eingeladen waren auch der Neonazi Martin Sellner und
der Schweizer Rechtsextremist aus dem identitären Umfeld, Stefan Thöny. Nur ein
halbes Jahr später verpasste Regez knapp die Wahl in den Nationalrat, wurde
Strategiechefin der Jungen SVP und hat damit bis heute eine riesige Plattform,
über die sie das Konzept der «Remigraton» in die Gesellschaft transportieren
kann. 

Foto2: Enge Freunde, Wilhelm Wyss, Maksym Barda, David Trachsel und Martin
Farkas (v.l.n.r.)

Doch auch mit David Trachsel, bisheriger Parteipräsident der Jungen SVP, hat die
Junge Tat einen Politiker, welcher ihre Inhalte weiterverbreitet: Trachsel
posierte schon 2021 auf einem Bild mit dem damaligen Junge Tat-Mitglied Maksym
Barda. [Foto2] Und auch Trachsel nahm in den letzten Jahren das Narrativ der
Jungen Tat auf und verbreitete es in der Politik.

Eine äquivalente Organisation zur Jungen Tat, welche den Sprung in die
etabilerte Politik bereits geschafft hat, ist die rechtsextreme Gruppierung
Némésis aus der Romandie. Diese pflegt zahlreiche Verbindungen mit
rechtsextremen und neonazistischen Strukturen wie der Jungen Tat, Militants
Suisses, Résistance Helvétique oder La Hallebarde. Die Pressespecherin und eine
der führenden Köpfe von Némésis ist Léa Sauchay, welche im Sekretariat der SVP
Neuenburg arbeitet. 

Im September 2023 posierten der SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor und der damalige
SVP-Parteipräsident Marco Chiesa zusammen mit drei Mitgliedern von Némésis auf
einem Foto. Jean-Luc Addor hat die Gruppe ins Bundeshaus eingeladen. Addor ist
selbst kein unbeschriebenes Blatt: Er wurde  wegen Rassendiskriminierung
verurteilt. Nach einer Schiesserei in einer Moschee mit einem Todesopfer postete
er: „Wir bitten um mehr!“. Trotz seiner Gesinnung, schaffte er es in der SVP bis
ins Bundeshaus und lädt nun munter Rechtsextreme zu sich ins Parlament nach Bern
ein. 

Die Strategie der Jungen Tat, ihre Inhalte über Politiker*innen in den
öffentlichen Diskurs einzubringen, scheint zumindest teilweise aufzugehen.
Geholfen hat ihnen sicherlich die Corona-Pandemie: Zahlreiche Kontakte zwischen
Politiker*innen und Rechtsextremist*innen entstanden an Events der
Massnahmengegner*innen. 

Die Junge Tat hat diese Strategie aber nicht erfunden. Die Identitäre Bewegung,
welche insbesondere in Österreich, Frankreich, Italien und Deutschland
erfolgreich ist, versucht dies schon länger. An Schulungen, welche auch von
Exponent*innen der Jungen Tat besucht werden, wird diese Vorgehensweise gelehrt
und professionalisiert. Auch Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung,
propagiert diese Strategie. 

In der Schweiz pflegt insbesondere Olivier Chanson, Aktuar in der SVP Urdorf,
mit langer SVP-Karriere und immer wieder auf Wahl-Listen der SVP, engen Kontakt
zum identitären Umfeld. Ein Freund von Chanson ist Stefan Thöny, Aktivist bei
der Identären Bewegung und eng vernetzt mit diversen rechtsextremen Strukturen
in Deutschland, Österreich und der Schweiz – auch mit der Jungen Tat. Chanson
benutzt denn auch das Wort «Remigration» schon länger. Er warnt eindringlich vor
dem „Bevölkerungsaustausch“ und ist auch im Massnahmengegner*innen-Umfeld gut
vernetzt.

Die SVP und die Junge Tat beeinflussen einander und profitieren aktuell
voneinander – sie pushen sich geradzu. In der Konsequenz hat sich die Junge SVP
bereits unter David Trachsel deutlich nach rechts bewegt. An deren Spitze steht
seit März 2024 das Duo Niels Fiechter und Sarah Regez. 

Fiechter ist ein verurteilter Rassist und beschreibt das Verhältnis zur Jungen
Tat gegenüber SRF wie folgt: „Es wäre verfehlt, wenn wir uns als Partei einfach
pauschal von irgendwelchen Positionen, Begrifflichkeiten oder Personen
distanzieren würden. Wir sprechen Grundsätzlich mit allen Leuten. […] Wir haben
keine Scheuklappen“1. Dabei will er wohl vor allem seine Strategiechefin Sarah
Regez in Schutz nehmen, mit der er auch liiert ist. Doch auch viele andere
SVP-Politiker*innen blasen ins selbe Horn. Allen voran Ramon Hug, Präsident der
Jungen SVP Aargau,meint in internen Chats: „Wir müssen ehrlich sein und
anerkennen, dass die Junge Tat inhaltlich die exakt gleichen Inhalte anspricht
wie wir“2. Nach dem letzten (unterbundenen) Auftritt von Martin Sellner in der
Schweiz überboten sich auf X und Instagram Exponent*innen der Jungen SVP mit
Solidaritätsbekundungen. Allen voran wieder Ramon Hug. 

Sind diese Positionen für eine Junge SVP neu? Was ist anders? Bereits in den
späten Nuller-Jahren geisterte das Bild eines Indigenen mit dem Spruch „Sie
konnten die Einwanderung nicht stoppen, heute leben sie in Reservaten“ durch die
Schweizer rechtsaussen Szene. Das damals von der PNOS und den Schweizer
Demokraten bemühte Bild bringt die Angst vor dem „Grossen Austausch“ auf den
Punkt. Die Junge SVP fordert seit Jahren drakonische Massnahmen gegen sogenannte
„kriminelle Ausländer“. Neu ist nur die Streichung des Wortes „kriminell“.
Zusammenfassen lässt sich die Haltung als „Ausländer raus und zwar alle!“.

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ARBEITSLOSENKOMITEES: KRITIK UND ERGÄNZUNG DES SOZIALSTAATS

Posted on 10/04/2024 by admin

Im Zuge der Diskussion um neue Klassenpolitik und mit dem Ziel, die Verankerung
in der Klasse zu verstärken, orientieren sich momentan viele Linke an
Basisarbeit und autonomer Organisierung. Alle diese Projekte, Netzwerke und
Organisationen müssen sich früher oder später mit dem stets wiederkehrenden
Spannungsverhältnis zwischen Selbstorganisation und der Integration in den
Sozialstaat auseinandersetzen. Unser Autor hat im Sozialarchiv gestöbert, um die
Erfahrungen der schweizweiten Arbeitslosenkomitees der Krisenzeiten der 1970er-
und 1990er-Jahre nachzuzeichnen.

Um Arbeitslose bei ihrem Gang durch den bürokratischen Dschungel des
Sozialstaats zu unterstützen, gibt es heute in der ganzen Schweiz verschiedene
Hilfsangebote. Praktisch alle sind institutionalisiert und professionalisiert,
meistens werden sie vom Staat oder religiösen Organisationen subventioniert und
sind auf Spenden angewiesen. Doch das war nicht immer so. Die Selbstorganisation
der Arbeitslosen bewegte sich in den 1970er und den 1980er Jahren ausserhalb des
professionellen Rahmens, bevor es vor allem in den 1990er Jahren zur
Institutionalisierung kam. Die Arbeitslosenkomitees waren ein Phänomen
kollektiver Organisierung und fungierten in den meisten Fällen als Opposition,
Korrektiv und Ergänzung zum Sozialstaat.

Im Kapitalismus sind wir dem Markt ausgeliefert. Die ökonomischen Strukturen
sind ein soziales Gewaltverhältnis und zwingen uns dazu, unsere Lebenszeit dem
Kapital zu verkaufen.Wer nicht erfolgreich seine «Haut zu Markte tragen» kann,
wie es Marx ausdrückte, dem droht materielle Not und eine rapide
Verschlechterung der Lebensverhältnisse: Fällt die Lohnarbeit weg, vermehren
sich die Existenznöte und viele Menschen wären ohne Unterstützung ihrem
Schicksal überlassen. Der Sozialstaat federt in der gegenwärtigen
Produktionsform das schlimmste Übel derjenigen Menschen ab, die ein Anrecht auf
Unterstützung haben. Doch zugleich individualisiert die staatliche Wohlfahrt
gesellschaftliche Probleme: Jede:r ist selbst dafür zuständig, sich durch die
staatliche Bürokratie zu schlagen und finanzielle Hilfe zu einzufordern.

Neben der finanziellen Unsicherheit, die mit dem Verlust der Arbeit einhergeht,
bringt Arbeitslosigkeit auch gesellschaftliche Stigmatisierung mit sich und kann
psychisches Leiden zur Folge haben. In einer Gesellschaft, die sich durch
Arbeit, Individualismus und Leistung definiert, kommt für viele der Verlust des
Arbeitsplatzes einem Scheitern gleich. «Es scheint, ich bin nichts mehr wert,
einfach weggestellt!» schreibt ein:e anonyme:r Autor:in des Zürcher
Arbeitslosenkomitees in den 1990er Jahren in einem Gedicht namens «Arbeitslos».

RAV: Scham und Schikanen

Neoliberale Ideologiefragmente wie die Humankapitaltheorie verstärken die
Schamgefühle der Arbeitslosen, indem sie behauptet, dass ein guter Arbeitsplatz
und die Höhe des Lohnes vom Willen und der Anstrengung des einzelnen Subjektes
abhängt. Eine unsichere finanzielle Lage und sinkender Selbstwert können in
Angst, soziale Isolation und psychische Probleme umschlagen. Eine 2020
publizierte Studie vom Schweizerischen Gesundheitsobservatorium (Obsan) führt
Arbeitslosigkeit als Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Erkrankungen
auf und hält fest, dass der «überwiegende Teil gesundheitlicher Ungleichheit in
einer Bevölkerung […] sich durch sozioökonomische Unterschiede erklären
[lässt].»

Demonstration in Zürich, ca. 1990 (Bild: Schweizerisches Sozialarchiv)

Wer schon einmal arbeitslos war, weiss: Die staatlichen Auffangstrukturen sorgen
zwar für eine gewisse finanzielle Erleichterung, gehen aber mit Repression und
Disziplinierung einher. Viele Menschen fühlen sich durch sozialstaatliche
Akteur:innen bevormundet und herabgewürdigt. Jeder noch so kleine Fehler sei es
bezüglich der Anzahl von Arbeitsbemühungen, der Einhaltung von Terminen oder
wegen falsch ausgefüllten oder zu spät eingereichten Formularen, wird mit der
Einstellung von Taggeldern bestraft. Ob Menschen dadurch in finanzielle Not
geraten, interessiert die Behörden nicht. Zudem ist man der Willkür und den
Schikanen der RAV-Berater:innen ausgeliefert, die die gesetzliche Macht haben,
jeder arbeitslosen Person eine «zumutbare Arbeit» oder Beschäftigungsmassnahmen
aufzubürden.

Wer die deutsche Sprache nicht beherrschst, wem es schwerfällt, mit den
bürokratischen Hürden klarzukommen oder mit digitalen Kommunikationsmitteln
umzugehen, hat es noch viel schwerer. Hinzu kommt der entwürdigende Umgang den
viele Menschen im RAV erleben. Viele RAV-Berater:innen vermitteln den Menschen
das Gefühl, dass sie zu faul seien, um einer Arbeit nachzugehen. Dieses Narrativ
wird von rechten Verbänden und Parteien seit Jahrzehnten gestärkt. Damit wird
ein gesellschaftlicher Druck erzeugt, unabhängig von Arbeitsverhältnissen und
Qualifikationen jegliche Arbeit anzunehmen. Das Zürcher Arbeitslosenkomitee
schrieb hierzu 1992: «Eine Politik der Arbeitslosigkeit ist eine Politik der
Entmündigung. Der Nachweis, dass man sich um Arbeit bemüht hat, ist ein erster
Schritt zu dieser Entmündigung und Entwürdigung der Betroffenen. Die Angst vor
dieser Entmündigung macht die Menschen an ihren Arbeitsplätzen stumm und jene
auf Arbeitssuche einsam.» Diese Kritik an der repressiven Seite des Sozialstaats
ist nichts Neues. Sie ging stets mit wirtschaftlichen Krisenerscheinungen
einher.

Nachkriegsboom und Konjunktureinbruch

Die Arbeitslosigkeit verbreitet sich vor allem in Zeiten des wirtschaftlichen
Abschwungs oder der Krise. Im 20. Jahrhundert war einer der stärksten
wirtschaftlichen Konjunktureinbrüchen in den 1970er auszumachen. Dabei schien in
der Nachkriegszeit die Wirtschaft zunächst zu florieren, allerlei Apologet:innen
des Kapitalismus sahen in diesen «goldenen Jahren» einen Beweis für den
endgültigen Siegeszug des Kapitalismus als wohlstandsförderndes
Wirtschaftssystem. Die Schweizer Wirtschaft der Nachkriegszeit war kurz nach
Kriegsende tatsächlich im Aufschwung. 1946 herrschte praktisch Vollbeschäftigung
und die brummende Wirtschaft brauchte dringend billige Arbeitskräfte. Zu diesem
Zweck wurden in den darauf folgenden Jahren hunderttausende Saisonniers
rekrutiert, vor allem aus Italien. Diese arbeiteten meistens in der
verarbeitenden Industrie, der Baubranche, der Gastronomie oder in der
Landwirtschaft. Für die Saisonniers galt das Rotationsprinzip, das heisst sie
erhielten nur befristete Arbeitsbewilligungen für maximal elfeinhalb Monate, ab
1973 sogar nur noch für neun Monate. Sie hatten weder Anspruch auf
Sozialleistungen noch auf Familiennachzug und mussten meistens, segregiert von
den Schweizer Arbeiter:innen, in heruntergekommenen Baracken hausen. Nach ihrem
Arbeitseinsatz wurden sie wieder in ihre Heimatländer geschickt. Bereits hier
zeichnete sich ab, was auch Jahre später noch die Devise des Umgangs mit der
Migration sein sollte: Die Migration soll sich nach den Anforderungen des
Kapitals richten. Zugleich war das Saisonnierstatut auch eine Massnahme, um –
wie es im politischen Diskurs damals bezeichnet wurde – «die ausländische
Überbevölkerung» zu bekämpfen.

(Bild: Schweizerisches Sozialarchiv)

Der stabile und florierende Zustand der Nachkriegswirtschaft spiegelte sich
nicht nur im Bedarf an neuen, billigen und entrechteten Arbeitskräften, sondern
auch im Konsum. Haushaltsgeräte und Autos läuteten die Ära des Massenkonsums ein
und der Verbrauch von Erdölbrennstoffen stieg massiv an. Die Arbeiter:innen
nutzten den wirtschaftlichen Aufschwung ihrerseits , um höhere Löhne und bessere
Ferienregelungen durchzusetzen. Insbesondere in der Textilindustrie und im
Baugewerbe kam es zu verschiedenen Kämpfen.

In den 1970er Jahren kam es aufgrund der Erdölpreiskrise zu einem
Konjunktureinbruch und zu einer starken Anstieg der Arbeitslosigkeit. Fast elf
Prozent der Arbeitsplätze gingen verloren. Dass die Arbeitslosenstatistik jener
Zeit die zunehmende Arbeitslosigkeit nicht widerspiegelt, ist darauf
zurückzuführen, dass ein grosser Teil der Arbeitslosen Gastarbeiter:innen waren.
Ihnen wurde mit der Kündigung auch das Bleiberecht entzogen, was dazu führte,
dass die Arbeitslosigkeit ins Ausland «exportiert» werden konnte. Frauen
hingegen wurden während dem Konjunktureinbruch wieder «zurück an den Herd»
geschickt. 

Als Antwort auf die Krise und die steigende Zahl der Arbeitslosen wurde die
schweizweite obligatorische und lohnprozentual finanzierte
Arbeitslosenversicherung eingeführt. Im Jahr 1976 nahmen die Stimmberechtigten
die vom Bundesrat vorgeschlagene Neukonzeption der Arbeitslosenversicherung mit
fast siebzig Prozent an. Zuvor gab es keine obligatorische Arbeitslosenkasse,
man konnte sich nur bei den Gewerkschaften und bei privaten Arbeitslosenkassen
freiwillig versichern lassen.

Die Arbeitslosenkomitees der 1970er-Jahre

Die ersten Arbeitslosenkomitees bildeten sich in den 1930er Jahren als Antwort
auf die Auswirkungen der 1929 eintretenden Weltwirtschaftskrise heraus. Sie
konnten aber keine politische Schlagkraft entwickeln und verschwanden schnell
wieder. In den 1970er Jahren wurden sie angesichts der grassierenden
Arbeitslosigkeit wiederbelebt. Inspiriert wurden sie durch den Aufschwung der
neuen Linken im Zuge der 1968er-Bewegung. So erwähnte der Staatsschutz in einer
Fiche vom Januar 1976, dass «viele aus linksextremen Organisationen» an den
Arbeitslosentreffen teilnahmen.

Die Historikerin Anina Zahn legt in ihrem 2021 erschienenen Buch «Wider die
Arbeitslosigkeit» dar, dass sich die Arbeitslosenkomitees durch ihre Autonomie
und die Selbstorganisation der betroffenen Menschen, die als
Industriearbeiter:innen oder Angestellte ihr Geld verdient hatten. Die Komitees
verbreiteten sich in Zürich, Basel, Biel, Genf, Aarau, Lausanne, Bern, Thun,
Delémont, Solothurn und Fribourg. Ihre Aktions- und Organisationsformen waren
verschieden. Meistens waren sie als Vereine eingetragen und organisierten
Demonstrationen, Rechtsberatungen, Petitionen, Besetzungen und publizierten
Zeitungen. Im Jahr 1976 besetzte das Arbeitslosenkomitee Biel beispielsweise das
Arbeitsamt, um gegen verspätete Auszahlungen von Arbeitslosentaggeldern zu
protestieren, ein Jahr später wurde in Genf das Arbeitsamt besetzt, um gegen
gestrichene Taggelder zu protestieren. Solche Aktionen waren oft erfolgreich und
konnten eine unmittelbare Verbesserung für einzelne Arbeitslose erreichen.

Gemeinsam war allen Komitees, dass sie Arbeitslosigkeit nicht als individuelles
sondern als gesellschaftliches Problem verstanden. Die Komitees sollten die
Möglichkeit eröffnen, das Problem der Arbeitslosigkeit kollektiv zu politisieren
und sozialstaatliche Massnahmen zu kritisieren. Die Arbeitslosenkomitees
lancierten im März 1976 die «Nationale Petition der Arbeitslosen an den
Bundesrat», für die sie fast elftausend Unterschriften sammelten. Mit der
Petition forderten sie verschiedene Anpassungen und Veränderungen: Unbegrenzten
Taggeldbezug, volle Sozialleistungen bei Arbeitslosigkeit, Finanzierung der
Arbeitslosenversicherung durch die Unternehmenssteuer statt durch Abzug bei den
Löhnen, Arbeitslosengeld für ausländische Arbeitskräfte und Arbeitslosengeld
ohne Wartefrist. Die Petition wurde vom Volkswirtschaftsdepartement abgelehnt.

Demonstration von Arbeitslosen vor dem Bundeshaus in Bern, 1993 (Bild:
Schweizerisches Sozialarchiv)

Lange blieben die Arbeitslosenkomitees jedoch nicht erhalten. Die starke
Fluktuation bei den Mitgliedern (viele zogen sich zurück, sobald sie eine Arbeit
gefunden hatten), die mangelnde Unterstützung durch bereits länger bestehende
Organisationen und fehlende Ressourcen führten dazu, dass viele Komitees keine
Versammlungsorte hatten und die grosse Heterogenität der Meinungen innerhalb der
Komitees eine klare politische Ausrichtung erschwerte. Viele
Arbeitslosenkomitees der 1970er verschwanden wenige Jahre nach ihrer Entstehung.
Nur wo die Arbeitslosenkomitees von bereits etablierten Organisationen, wie
Gewerkschaften, christlichen Organisationen oder sogar von staatlichen
Institutionen – letzteres vor allem ab den 1990er Jahren – unterstützt wurden,
konnten sie über längere Zeit bestehen bleiben.

Im Jahr 1980 war die Association de Défense des Chômeurs (ADC) in Genf der
letzte verbleibende Arbeitslosenzusammenschluss. Doch auch beim Genfer ADC
zeigten sich Probleme, die vielen Menschen, die sich mit Basisarbeit
beschäftigen, bekannt vorkommen dürften: Beratungsangebote wurden zwar genutzt,
aber nur wenige Leute interessierten sich für eine längerfristige Organisierung.
Es entstand nur selten eine breit abgestützte gegenseitige Hilfe von Betroffenen
für Betroffene. Zumeist konnte die Hierarchie zwischen Beratenden und
Hilfesuchenden nicht aufgelöst werden. Dennoch fungierte der Treffpunkt als
Austauschort unter Arbeitslosen, auch wenn viele keine weitere Verantwortung für
die Räumlichkeiten und die Organisation übernahmen. Der Sprung von individueller
Hilfe zu kollektiven Aktionen gelang der ADC Genf nur selten.

Die zwei Jahre später von Anarchist:innen, Linken und Linksradikalen gegründete
ADC La Chaux-de-Fonds versuchte die Perspektive der gegenseitigen Hilfe und der
Selbstverwaltung ins Zentrum zu stellen. Neben den Beratungen, den
Informationsanlässen und der öffentlichen Mobilisierung für Gesetzesänderungen
organisierte sie auch gemeinsame Essen und baute eine Kooperative auf, die den
Arbeitslosen verschiedene temporäre Arbeitsstellen verschaffte. Die ADC La
Chaux-de-Fonds grenzte sich dabei von Wohltätigkeitsorganisationen ab. In ihrem
Selbstverständnis beschrieb sie das Arbeitslosenkomitee als Mittel, um durch
Selbstorganisation mit der Ohnmacht und der sozialen Isolation zu brechen. Die
ADC La Chaux-de-Fonds blieb bis 1988 bestehen, sah sich dann aber mit ähnlichen
Problemen wie die ADC Genf konfrontiert.

Die 1980er Jahre und das Basler Arbeitslosenkomitee

In den 1980er Jahren beteiligten sich viel mehr Migrant:innen an den
Arbeitslosenkomitees, da Gesetzesänderungen es dem Schweizer Kapital
verunmöglichten, arbeitslose Gastarbeiter:innen einfach wieder in ihre
Heimatländer zu schicken. Doch als die Arbeitslosenzahlen wieder stiegen,
stellten die vom Andrang überforderten Arbeitsämter weder Übersetzer:innen noch
übersetzte Formulare zur Verfügung. Hinzu kam, dass die Kontrollmechanismen des
Arbeitsamts zugleich Mobilisierungs- und Vernetzungsmöglichkeiten mit sich
brachten: Während heute meistens einmal im Monat ein Kontrollgespräch im RAV
stattfindet, mussten die Arbeitslosen in den 1980er Jahren in den meisten
Kantonen zweimal pro Woche beim Arbeitsamt vorsprechen, in Basel musste man
sogar dreimal pro Woche «stempeln gehen». Der Gang zu Arbeitsamt war in dieser
Hinsicht auch eine Begegnungsmöglichkeit mit Menschen in derselben Lage, was zu
viel Austausch und Debatten vor dem Arbeitsamt führte und die Vereinzelung
durchbrach.

Gemeinsam stempeln gehen – Die Schlangen vor der Arbeitslosenkasse ermöglichten
Kontakt und Organisierung (Bild: Schweizerisches Sozialarchiv)

Beispielsweise gründete sich im Jahr 1984 auf Initiative von Arbeitslosen, die
in der Anti-Atom Bewegung und der autonomen Szene aktiv waren, das
Arbeitskomitee Basel (AKB), dessen Beratungsangebot bis heute unter dem Namen
«Kontaktstelle für Arbeitslose Basel» weiterbesteht. Das AKB verteilte Flyer und
knüpfte Kontakte in den Warteschlangen vor dem Arbeitsamt – ein Vorgehen, dass
bis in die 1990er Jahre verbreitet war. Zum Gründungstreffen des Komitees kamen
über achtzig Menschen, darunter viele Migrant:innen. In den einige Monate später
ausgearbeiteten Statuten des AKB wurde festgehalten, dass die «Beratung und
Betreuung von Arbeitslosen, insbesondere auch von türkischen, spanischen,
italienischen und anderen ausländischen Kollegen-innen[sic]» im Zentrum stehen
sollte. Auf der Grundlage von Selbsthilfe und Solidarität sollten die
«basisdemokratischen Bestrebungen von Arbeitslosen […] unterstützt und gefördert
werden». Dafür stellte das AKB im Juni 1984 ohne Bewilligung der Behörden einen
Bauwagen vor das Arbeitsamt und bot kostenlose Beratungen an. Die
Beratungsstelle konnte jedoch nur dank der finanziellen und organisatorischen
Unterstützung von Gewerkschaften und des Basler Industriepfarramts
weiterbestehen. Auch wenn im Jahr 1986 die Arbeitslosenzahlen wieder sanken,
suchten viele Menschen die Beratungsstelle weiterhin auf. Doch genauso wie viele
andere Komitees, konnte das AKB ohne finanzielle Unterstützung,
Professionalisierung und angestellten Berater:innen den vielen
Beratungssuchenden nicht gerecht werden.

Die Krise der 1990er

Gegen Ende der 1980er Jahre sank die Arbeitslosenquote, dieser Zustand dauerte
jedoch nicht lange an. Zu Beginn der 1990er Jahre schlitterte die Schweizer
Wirtschaft erneut in eine langjährige Rezession, die Zahl der Arbeitslosen
schnellte wieder in die Höhe. Bis 1994 verzehnfachte sie sich gegenüber dem Jahr
1990 und im Jahr 1997 betrug die Arbeitslosenquote 5,7 Prozent, was über 206.000
Arbeitslosen entsprach. Betroffen waren vor allem prekär Beschäftigte, die für
Temporärfirmen arbeiteten, die Krise dehnte sich jedoh auf weitere Branchen aus.
In dieser Situation reaktivierten sich schweizweit viele Arbeitslosenkomitees
und sahen sich schnell mit ähnlichen Problemen konfrontiert, wie in den
Jahrzehnten zuvor.

In der ADC Genf gab es in den 1990er Jahren in Diskussionen über die Ausrichtung
der Komitees. Während sich einige auf die Professionalisierung der Beratungen
fokussieren wollten und darin bereits einen politischen Akt sahen, empfanden
andere die Beratungen als karitativen oder sogar paternalistischen Akt, der sich
auf Probleme von Einzelnen fokussierte und keine gesellschaftliche Perspektive
anvisierte. Letztgenannte Position forderte darum die Hinwendung zu mehr
direkten Aktionen, Mobilisierungen und kollektiven Aktivitäten, wie
beispielsweise ein tägliches Frühstück für alle. Schliesslich wurde entschieden,
sich sowohl auf Hilfsangebote als auch auf Mobilisierungen zu fokussieren, was
einen gewissen Erfolg mit sich brachte: Hatte die ADC Genf 1992 noch sechzig
Mitglieder, waren es 1994 schon fünfhundert.

In den 1990er Jahren wurde die Mehrheit der Arbeitslosenkomitees
institutionalisiert und in vielen Fällen erhielten sie eine Teilfinanzierung
durch den Staat, zum Beispiel durch die Subventionierung von Raummieten oder
fester Arbeitsstellen für die Beratungsangebote. Dass dies im Sinne der
Arbeitslosenkomitees war, spiegelt sich in einem Brief vom März 1993 des
Züricher Arbeitslosenkomitees (ZAK) an die Direktion der Städtischen
Liegenschaftsverwaltung: «Sie werden sicher verstehen, dass auf Grund unserer
Lage die Mittel fehlen, um Büroraum auf dem Markt anzumieten. Wir bitten deshalb
die Direktion der Städtischen Liegenschaftsverwaltung zu prüfen, ob sie uns ein
Angebot für günstigen oder unentgeltlichen Büroraum machen kann.» Die Gemeinden
und der Staat übernahmen jedoch die Finanzierung meistens nicht vollumfängich
und so waren die Beratungsstellen auch von Spenden von Privatpersonen sowie von
kirchlichen oder anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen abhängig.

Die staatliche Teilsubventionierung führte zu internen Debatten denn sie hatte
einerseits einen positiven Effekt, weil die Beratungen eine Kontinuität
entwickeln konnten und den Angeboten eine gewisse Stabilität verliehen.
Andererseits bedeutete die Einbindung in sozialstaatliche Strukturen auch die
Aufgabe der Autonomie der Arbeitslosenkomitees, wodurch sich auch deren
Aktionsradius verkleinerte. Das Zürcher Arbeitslosenkomitee hielt 1994 in diesem
Sinne fest: «Einsatzplätze haben ein Doppelgesicht: einerseits sind sie ein
Instrument um das ZAK politisch zu disziplinieren, andererseits ermöglichen sie
dem ZAK Kontinuität und Wege zur Finanzierung».

Neue Arbeitslosenpolitik

Nicht nur finanzielle sondern auch politische und gesetzliche Faktoren
beeinflussten die Institutionalisierung der Arbeitslosenkomitees massgeblich,
allen voran die Veränderungen der Arbeitslosenpolitik. Die Revision des
Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) von 1995 führte zu einschneidenden
Veränderungen in der Arbeitslosenpolitik, denn sie legte die Grundlage für die
Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Ab 1996 übernahmen über 150 solcher
Arbeitsvermittlungszentren die Beratung und Kontrolle der Arbeitslosen. Zuvor
waren dafür über dreitausend Gemeindearbeitsämter zuständig. Zur AVIG-Revision
gehörte auch, dass die Stempelkontrollen durch Beratungs- und Kontrollgespräche
sowie durch arbeitsmarktliche Massnahmen ersetzt wurden, in der Hoffnung die
Bezugstage von Arbeitslosengeldern zu reduzieren. Die Menschen sollten schneller
und effizienter wieder eine Arbeit finden, die öffentliche Arbeitsvermittlung
sollte leistungsfähiger und Wiederanmeldungen und Langzeitarbeitslosigkeit
vermieden werden. Dafür wurde unter anderem der Begriff «zumutbare Arbeit»
ausgedehnt und der Druck auf die Arbeitslosen erhöht. Es wurde fortan erwartet,
jegliche Form von Arbeit anzunehmen, ansonsten drohten Taggeldstreichungen.
Diese verstärkte Kopplung staatlicher Unterstützung an eine Gegenleistung prägt
nicht nur die Arbeitslosenversicherung, sondern auch die Invalidenversicherung
und die Sozialhilfe seit den 1990er-Jahren. Die Sozialwissenschaftlerin Bettina
Wyer bezeichnet dies als neues aktivierungspolitisches Paradigma, das durch
Leitbegriffe wie «Eigenverantwortung», die Erosion sozialer Solidarität und der
neoliberale Selbstoptimierungs- und Leistungszwang überdeckt.

(Bild: Schweizerisches Sozialarchiv)

Die in den 1990er Jahre eintretende Investition in die Regionalen
Arbeitsvermittlungszentren und die Personalschulung sollte längerfristig
ausgeglichen werden. Jürg Irman Leiter des RAV Uster brachte die
Kosten-Nutzen-Rechnung 1996 in einem Interview im SRF auf den Punkt: «Wenn wir
die Dauer, in der Geld bezogen wird, im Durchschnitt um sieben Tage reduzieren
können, hat sich die Investition bereits gelohnt.» Um die Kosten der
Arbeitslosenversicherung zu senken sollten ab der zweiten Hälfte der 1990er
Jahre Taggeldkürzungen eingeführt und die Löhne für eine zumutbare Arbeit und
die Entschädigungen bei Teilzeit-Erwerbslosigkeit reduziert werden. Das
Arbeitslosenkomitee Bern bezeichnete die angestrebten Veränderungen als
Kürzungen auf dem Buckel der Arbeitslosen und als «verschärftes staatliches
Lohndumping». Die Mobilisierungen der Arbeitslosenkomitees und der
Gewerkschaften gegen diesen Sozialabbau konnten die Kürzungen jedoch bei der
Abstimmung über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung am 28. September
1997 verhindern. Dieser knappe Sieg ist angesichts der medialen Hetze gegen
Arbeitslose bemerkenswert. Die «Neue Zürcher Zeitung» behauptete, dass ein
Drittel der Arbeitslosen Alkoholiker:innen oder drogensüchtig seien und ein
weiterer Drittel bestehe aus Drückeberger:innen, während eine Schlagzeile der
Boulevardzeitung «Blick» suggerierte mit der Schlagzeile «Falsche Arbeitslose:
Ihre 10 fiesen Tricks», dass viele Arbeitslose die Arbeitslosenkassen betrügen
würden.

Dennoch läutete die AVIG-Revision die Phase des Niedergangs der
Arbeitslosenkomitees ein, denn die Umstrukturierung wirkte sich auch auf die
Mobilisierungsmöglichkeiten der Arbeitslosen aus: Die Schlangen vor den
Arbeitsämtern fielen als Begegnungs- und Mobilisierungsorte weg, die
Arbeitslosen wurden zunehmend voneinander isoliert. Der vermehrte Einsatz von
Beschäftigungsmassnahmen führte zudem dazu, dass viele Arbeitslose keine Zeit
mehr hatten, sich an den Komitees zu beteiligen. Im Zürcher Arbeitslosenkomitee
ist beispielsweise in den Sitzungsprotokollen ständig von Mitgliederschwund die
Rede, dadurch war es für das ZAK enorm schwierig die Infrastruktur
aufrechtzuerhalten: «Die hohe Fluktuationsrate unter den Arbeitslosen erschwert
die Kontinuität unserer Selbsthilfeorganisation erheblich. Um dem
entgegenzuwirken, braucht es dringend einen stützenden Rahmen. Wünschenswert ist
deshalb die Einrichtung von bezahlten, festen Sekretariatsstellen». Zudem
stellte beispielsweise ds ZAK fest, dass sich auch eine gewisse Frustration,
verbreitete: «Viele Arbeitslose mögen sich nicht engagieren (nach gewissem
Anfangsenthusiasmus kehrt Resignation ein)». Auch das Berner Arbeitslosenkomitee
(BAK) machte ähnliche Erfahrungen. In einem Lagebericht vom August 1993 ist zu
lesen: «Stimmung in der Basler Arbeitslosen-Szene: nach einem Anfangselan von
vielen Aktivisten, die sich erstmals politisch äussern, Artikel schreiben,
Projekte starten, ist jetzt eine gewisse Ernüchterung eingetreten, weil sich der
politische Druck nicht unmittelbar sichtbar auswirkt.» Dies, gepaart mit der
Tatsache, dass in den 1990er Jahren die Wichtigkeit der selbstorganisierten
Beratungsstellen vom Staat immer mehr anerkannt wurde, führte zur schrittweise
Auflösung vieler Arbeitslosenkomitees. Was als Kritik an die staatliche
Handhabung der Arbeitslosenpolitik begann, stellte sich als wichtige ergänzende
Massnahme heraus, auf die viele Leute angewiesen waren

Von der Bewegung in die Beratung

Trotz dieser Widersprüche zeigt sich, dass autonome und selbstorganisierte
Strukturen, die an Alltagsproblemen der Menschen ansetzen und von den
Betroffenen selbst am Leben gehalten werden, spannende Kampfmittel sein können.
Aber je mehr sie sich institutionalisieren und ihre Strukturen festigen, desto
mehr verlieren sie an Radikalität und Mobilisierungspotential. Die direkten
Aktionen treten zugunsten von längerfristigen Strukturen – zum Beispiel
Beratungsangeboten – in den Hintergrund, wobei auch diese Angebote nach wenigen
Jahren wieder verschwinden.

Der Schritt vom politischen Aktivismus der Betroffenen hin zu staatlich
teilsubventionierten Beratungsstelle ist meistens kein grosser, spätestens dann,
wenn selbst die staatlichen Institutionen merken, dass eine Lücke gefüllt wird,
die sie selber nicht bedienen. Dennoch wäre es falsch, autonome Strukturen der
Selbsthilfe lediglich als Dienstleistungsangebote abzutun, die dem Staat
Aufgaben abnehmen. Im Falle der Arbeitslosenkomitees ging der Integration in die
Sozialpolitik ein Prozess der kollektiven Selbstorganisierung, der Solidarität
und der Kritik des repressiven Sozialstaats voraus. Sie versuchten die soziale
Isolation der Arbeitslosen zu durchbrechen und das Problem
gesamtgesellschaftlich anzugehen. So schrieb das Arbeitslosenkomitee Bezirk
Dielsdorf 1993 in einem Flyer: «In der heutigen Wirtschaftslage ist die
Arbeitslosigkeit nicht nur ein Problem der Arbeitslosen; sie ist menschengemacht
und ein gesellschaftliches Problem. Du stehst auf der Strasse und haderst mit
Dir. Es wird Zeit, dass wir, die Arbeitslosen, uns in unsere Angelegenheiten
einmischen».

Darüber hinaus versuchten viele Arbeitslosenkomitees die Arbeitslosigkeit mit
anderen sozialen Problemen zu verbinden. Das Winterthurer Arbeitslosenkomitee
(WAK) stellte beispielsweise fest: «die steigende Arbeitslosenzahl ist für die
Arbeitgeberseite ein ideales Druckmittel für Überstunden und Lohndumping». Im
gleichen Text wird das Mensch-Natur-Verhältnis im Kapitalismus thematisiert:
«die Ressourcen sind begrenzt, die Natur bis zur Schmerzgrenze ausgebeutet. Wir
sind Teil der Erde und nicht umgekehrt.» Zugleich war auch der Kampf gegen
Rassismus und Sexismus oft Bestandteil der politischen Themen, die in den
Arbeitslosenkomitees präsent waren. In einem Mind-Map, in dem Mitglieder des ZAK
Ideen zusammentrugen, spiegelte sich beispielsweise der Wille, über ökonomische
Fragen hinauszugehen: «Gegen die Zurückdrängung der Frauen an den Herd, gegen
jeden Rassismus, gegen zerstörende Produktionsweisen, gegen Krieg fördernde
Produkte und Handel mit ihnen.»

(Bild: Schweizerisches Sozialarchiv)

Es lässt sich also festhalten, dass viele Arbeitslosenkomitees versuchten,
unmittelbar und direkt in die eigenen Lebensrealitäten einzugreifen und von dort
aus die Frage nach breiteren gesellschaftlichen Problemen zu lancieren. Ihr
Scheitern und ihre Integration in die Sozialpolitik waren auch durch die
mangelnde Verbreitung sozialer Kämpfe bestimmt. Der Entstehungskontext der
Arbeitslosenkomitees war meistens durch ungünstige Kräfteverhältnisse
gekennzeichnet, was von Anfang an ihren politischen Horizont bestimmte: Das
Recht auf Arbeit und nicht deren Abschaffung stand im Zentrum – und dies in
einer Schweiz, deren politische Landschaft zwar nicht immer, aber doch meistens
durch Arbeitsfrieden und Sozialpartnerschaft und nicht durch betriebliche und
soziale Kämpfe gekennzeichnet war. Am 1. Mai 1993 fasste eine Rednerin die
widersprüchliche Lage der arbeitslosen Proletarier:innen in nichtrevolutionären
Zeiten treffend zusammen: «Da stehe ich nun, im Regen (in der Sonne) und habe
Feiertag, obwohl ich immer freie Zeit habe, ohne Arbeit, als Arbeitslose. Zeit,
in der ich endlich machen kann, was Spass macht, was ich schon lange wollte.
Aber die Freude dauerte nur kurz an. Bald häuften sich die Sorgen […] plötzlich
lebe ich nur noch, immer einsamer, von Tag zu Tag.»

Angepasste Arbeitslose?

Dass es heutzutage keine Arbeitslosenkomitees mehr gibt, bedeutet nicht, dass
alle Arbeitslosen die Schikanen und Repression passiv hinnehmen. Vielmehr leben
widerständigen Verhaltensweisen auf verdeckte Art und Weise weiter. Sie äussern
sich nicht öffentlich und meistens auch nicht kollektiv, sondern auf
individueller Ebene: Gefälschte Arbeitsbemühungen, Absentismus und
unzuverlässiges Arbeiten während Arbeitsintegrationsmassnahmen sind
beispielsweise einige der Mittel, derer sich Arbeitslose bedienen, um der
sozialstaatlichen Repression, Disziplinierung und Entwürdigung zu trotzen. Viele
arbeitslose Arbeiter:innen spüren am eigenen Leib, dass der Sozialstaat nicht
die Arbeitslosigkeit sondern die Arbeitslosen bekämpft. Eine klassenkämpferische
Antwort darauf ist die Bekämpfung von soziale Leistungskürzungen, Sozialabbau
und verstärkten Kontrollmassnahmen unter gleichzeitiger Betonung der
strukturellen Ursachen der Arbeitslosigkeit. Zugleich sollte vermieden werden
dem Ideal der Vollbeschäftigung das Wort zu reden und das Recht ausgebeutet zu
werden, also Arbeit zu haben, mit Freiheit und Emanzipation zu verwechseln. Denn
auch heute gilt gesamtgesellschaftlich auf ideologischer Ebene weiterhin das
Credo, das 1995 vom Unesco-Berater Ignacy Sachs während dem Weltgipfel für
soziale Entwicklung in Kopenhagen beschworen wurde: «Der erste Schritt zur
sozialen Eingliederung ist, ausgebeutet zu werden.»

Quellen aus dem Sozialarchiv: SozArch Ar 509.10 (1.17). Bestand abrufbar unter:

https://www.findmittel.ch/archive/archNeu/Ar509.html?tab=aktenserien
[30.03.2024]

Quelle: https://www.ajourmag.ch/arbeitslosenkomitees/

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FREE MUMIA – KUNDGEBUNG

Posted on 08/04/2024 by admin

FREE MUMIA – FREE THEM ALL!
Am Mittwoch, 24. April 2024 wird der afroamerikanische Journalist und politische
Gefangene Mumia Abu-Jamal 70 Jahre alt. Der Black Panther verbrachte 42(!) Jahre
davon in Haft. Aus der Haft heraus kämpft er gegen Rassismus, Ausbeutung und
Krieg und veröffentlichte unter anderem elf Bücher. Diese Bücher, Texte und
Radiobeiträge sind ein fester Bestandteil der abolitionistischen Bewegung. Weder
29 Jahre Isolationshaft noch Hinrichtungsbefehle haben ihn je davon abgehalten
am Ort der aktuellen Sklaverei unter anderem Namen die “Voice of the Voiceless”
zu sein.

“Manche sagen, es sei unvernünftig, Widerstand gegen dieses gewalttätige System
zu leisten. Ich denke, es ist unvernünftig, das nicht zu tun.” (Mumia
Abu-Jamal).

Lasst uns Mumias bisherige Lebensleistung würdigen!
Zusammen gegen Rassismus, Ausbeutung und Krieg!

Mittwoch – 24. April 2024
18.00 Uhr
Kundgebung vor der US Botschaft
Sulgeneckstrasse 19
Bern

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the Voiceless | Leave a comment


RICHARD-WAGNER-WEG UMBENANNT!

Posted on 18/03/2024 by admin

Gestern Abend haben Mitglieder der ausserparlamentarischen linken Gruppierung
RESolut den Richard-Wagner-Weg im Luzerner Tribschenquartier umbenannt. Neu soll
er nach der 2004 in Genf verstorbenen Fluchthelferin Aimée-Stitelmann benannt
werden.

Der deutsche Komponist, Schriftsteller, Theaterregisseur und Dirigent Richard
Wagner lebte von 1866 bis 1872 im heutigen Tribschenquartier in Luzern[1]. Bis
heute befindet sich dort das Richard-Wagner-Museum, der Richard-Wagner-Weg führt
zum Museum und in der nahen Ufschötti befindet sich das Wagner-Denkmal[2]. Zu
viel Verehrung und Verklärung für die Luzerner Gruppe RESolut. Sie kritisiert
insbesondere Wagners Antisemitismus. Wagner sei Wegbereiter für den “modernen”
Antisemitismus[3] gewesen teilt die Gruppe mit. So bediente sich Richard Wagner
etwa einem ähnlichen Vokabular wie der spätere, glühende Wagner-Fan Adolf
Hitler.

In seiner Schrift, “Das Judentum und die Musik” schrieb Wagner: “Der Jude an
sich sei unfähig sich künstlerisch auszudrücken”. In einem Brief an König Ludwig
II. vom 22.11.1881 “dass ich die jüdische Race für den geborenen Feind der
reinen Menschheit und alles Edlen in ihr halte: dass namentlich wir Deutschen an
ihnen zu Grunde gehen werden, ist gewiss, und vielleicht bin ich der letzte
Deutsche, der sich gegen den bereits alles beherrschenden Judaismus als
künstlerischer Mensch aufrecht zu erhalten wusste”[4]. Der Antisemitismus des
späten Richard Wagners ab 1850 ist kein Geheimnis. Seine Ehrung in Luzern für
die Gruppe RESolut unverständlich.

RESolut fordert deshalb, dass der Richard-Wagner-Weg in Aimée-Stitelmann-Weg
umbenannt wird. Die 1925 in Paris geborene Aimée Stitelmann-Stauffer zog vor
Ausbruch des zweiten Weltkrieges nach Genf und wurde 1945 von einem
Militärgericht zu zwei Wochen Gefängnis verurteilt, weil sie jüdischen Kindern
zur Flucht in die Schweiz verholfen hat.[5] Im März 2004 war die Lehrerin die
erste Fluchthelferin, die aufgrund eines neuen Gesetzes formell rehabilitiert
wurde. Eine Wiedergutmachung erhielt Aimée Stitelmann-Stauffer, die am 20.
Dezember 2004 in Genf verstarb, aber nie.[6]

Aimée Stitelmann nahm nie Geld für ihre Fluchthilfe. Sie handelte aus
politischer und moralischer Überzeugung mit gerade einmal 17 Jahren half sie das
erste Mal jüdischen Kindern bei der Flucht mehr als einem duzend Kindern rettet
sie wohl insgesamt das Leben. Nach der Flüchtlingshilfe für Juden und Jüdinnen
hatte sie sich in ihrem Leben im Kampf gegen den Vietnamkrieg engagiert, gegen
die Franco-Diktatur in Spanien und in jüngerer Zeit für Asylsuchende und
papierlose Immigrant*innen. Von 1953 bis 1957 engagierte sie sich in der
kommunistischen Partei in Israel und kehrte anschliessend in die Schweiz zurück,
wo sie Mitglied der Partei der Arbeit war.[7]

Für RESolut steht Aimée Stitelmann-Stauffer stellvertretend für mehrere
Fluchthelfer*innen. Menschen auf dem Weg zum Richard-Wagner-Museum sollen daran
erinnert werden, wo Antisemitismus hinführen kann. Das Frau Stitelmann-Stauffer
eben eine Frau war sei ein Bonus, denn diese seien in den Strassennamen
chronisch untervertreten.

[1] https://richard-wagner-museum.ch/geschichte/tribschener-zeit/

[2]
https://www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/stadt-region-luzern/hingeschaut-was-die-skulptur-auf-der-luzerner-ufschoetti-mit-richard-wagner-zu-tun-hat-ld.2489827?reduced=true

[3]
https://www.sueddeutsche.de/politik/judenhasser-und-komponist-der-paranoia-fall-richard-wagner-1.1678112

[4]
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/160065/richard-wagners-antisemitismus/

[5] https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/044028/2010-10-22/

[6] https://www.woz.ch/0535/fluchthilfe/nur-die-erwischten-sind-bekannt

[7] https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/044028/2010-10-22/



Quelle: https://barrikade.info/article/6357

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WENN DAS POLITISCHE PRIVAT WIRD

Posted on 11/03/2024 by admin

1998 verabschiedeten sich die verbliebenen RAF-Mitglieder mit einer Erklärung in
das Privatleben. Der Preis, den sie selbst – und andere – für die politischen
Irrtümer der RAF zahlten, war sehr hoch. Das kürzlich festgenommene vermutliche
RAF-Mitglied Daniela Klette verbrachte mehrere Jahrzehnte in der Illegalität.

Quelle:
https://jungle.world/artikel/2024/10/dritte-generation-der-raf-wenn-das-politische-privat-wird

Am Abend des 26. Februar wurde die der sogenannten dritten Generation der RAF
zugeordnete Daniela Klette von Zielfahndern des Landeskriminalamts Niedersachsen
in Berlin festgenommen. Am 28. Februar hatte im Deutschen Theater Berlin
Elfriede Jelineks »Ulrike Maria Stuart« Premiere. Regisseurin Pınar Karabulut
versprach in einem Gespräch mit ihrem Dramaturgen: »Potenziert durch den
Standort des Deutschen Theaters, quasi in unmittelbarer Nähe des
Regierungszentrums, untersuchen wir die politischen Fragen, die sich bereits mit
der RAF gestellt haben und die wir uns wieder stellen müssen: Wann ist zum
Beispiel Widerstand politisch und wann ist er Terrorismus?«

Dass die Regisseurin dafür weite Teile von Jelineks Text gestrichen hat, dient
der Klärung der aufgeworfenen Fragen nach Auffassung etlicher Kritiker:in­nen
nicht. Auch die Fragestellung selbst irritiert eher, als dass sie einen ins
Theater treibt – vor allem der Dualismus von nicht näher beschriebenem
»­Widerstand« einerseits, der »politisch« ist, und »Terrorismus« andererseits
­erscheint recht fernab der heutigen Verhältnisse, wie sie sich in so
unterschiedlichen Konstellationen zeigen: dem Überfall der Hamas auf Israel, dem
Krieg Russlands gegen die Ukraine, der zunehmenden Attraktivität ­autoritärer,
antidemokratischer Bewegungen und Herrscher und dem weitgehend tatenlosen
Hinnehmen des Klimawandels.

Möglicherweise befindet sich das Deutsche Theater nicht nur räumlich, sondern
auch mental inmitten der deutschen Verhältnisse, in denen die RAF ganz
unabhängig davon, was tatsächlich von ihr nach der Auflösung geblieben ist, eine
eher mythisch überhöhte Bedeutung behalten hat.

> »Und laßt euch nicht schnappen und lernt von denen, wie man sich nicht
> schnappen läßt – die verstehen mehr davon als ihr.« RAF-Erklärung, 1970

Vor 54 Jahren hatte die Gruppe mit der Befreiung des inhaftierten Andreas Baader
ihren ersten spektakulären Auftritt, bei dem der Bibliotheksangestellte Georg
Linke und ein Justizbeamter angeschossen wurden. Wenig später erschien der von
Gudrun Ensslin namentlich unterzeichnete Aufruf »Die Rote Armee aufbauen!«, der
die Mobilisierung der »potentiell revolutionären Teile des Volkes« bewirken
sollte, sich aber mangels eines geeigneten Verteilers doch nur an die
Leser:innenschaft der linksradikalen Agit 883, die »falschen Leute«, die
»kleinbürgerlichen Intellektuellen«, wenden konnte: »Sitzt nicht auf dem
hausdurchsuchten Sofa herum und zählt eure Lieben, wie kleinkarierte
Krämerseelen. Baut den richtigen Verteilerapparat auf, laßt die Hosenscheißer
liegen, die Rotkohlfresser, die Sozialarbeiter, die sich doch nur anbiedern,
dies Lumpenpack. Kriegt raus, wo die Heime sind und die kinderreichen Familien
und das Subproletariat und die proletarischen Frauen, die nur darauf warten, den
Richtigen in die Fresse zu schlagen. Die werden die Führung übernehmen. Und laßt
euch nicht schnappen und lernt von denen, wie man sich nicht schnappen läßt –
die verstehen mehr davon als ihr.«


»ROTE ARMEE AUFBAUEN«, ZERWÜRFNISSE UND SPALTUNGEN IN DER LINKEN

Das Versprechen war, »die Rote Armee« aufzubauen, um »die Konflikte auf die
Spitze treiben zu können«. Das eine gelang nicht, auf das andere mochte die RAF
gleichwohl nicht verzichten– in den Jahren seitdem haben dafür viele, auf sehr
unterschiedliche Weise, einen hohen Preis gezahlt. Die RAF selbst, die bald
überwiegend aus Gefangenen bestand, von denen etliche die Haft nicht überlebt
haben, während andere bei Anschlägen ums Leben kamen oder bei der Gefangennahme
­getötet wurden; ­zudem Polizei- und Justizbeamte, Diplomaten,
Wirtschaftsführer, Banker, die bei Einsätzen, Attentaten und Geiselnahmen
erschossen wurden.

Aber auch Justiz, Politik und Rechtsstaat haben den Kampf der RAF nicht
unbeschadet überstanden. Hochschullehrer wurden suspendiert, Menschen, die als
Sympathisanten galten (und es bisweilen auch waren), wurden verfolgt; die
radikale und weniger radikale Linke erlebte Zerwürfnisse und Spaltungen.

Nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989, der den Weg zum Beitritt der DDR
zur BRD frei machte, wurde am 30. November der Vorstandschef der Deutschen Bank,
Alfred Herrhausen, ermordet, sein Fahrer ­Jakob Nix wurde bei dem Bombenanschlag
schwer verletzt.

In der Erklärung zu diesem Anschlag schrieb die RAF inhaltsleer, der
»revolutionäre Prozeß« brauche »neue Dynamik und produktive Wechselbeziehungen«.
Nur »zusammen« könnten »die Kämpfe« die nötige Kraft entwickeln, um »destruktive
Entwicklungen des Imperialismus zu stoppen und überhaupt seine ganze
zerstörerische Entwicklungsrichtung umzudrehen«.

1991 erschossen Mitglieder der RAF den damaligen Leiter der Treuhandanstalt, die
Staatseigentum der DDR in Privatvermögen überführte, Detlev Karsten Rohwedder.
Es war der letzte tödliche Anschlag der Stadtguerilla, als die sich die
RAF-Mitglieder verstanden.


»DIE ESKALATION ZURÜCKNEHMEN«

Die Erklärung der Gruppe vom 4. April 1991 kritisierte die »Annexion« der DDR,
die sie »faktisch zu einer Kolonie der Bundesrepublik« gemacht hätte: »Wir
begreifen unsere Aktion gegen einen der Architekten Groß-Deutschlands auch als
Aktion, die diese reaktionäre Entwicklung an einer Wurzel trifft.«

Davon war dann ein gutes Jahr später nicht mehr die Rede. Am 10. April 1992
erklärte die RAF, sie wolle »die Eskalation zurücknehmen«: Es sei »klar
geworden«, dass es »so« nicht weitergehen könne, denn: »wir hatten unsere
politik ganz stark auf angriffe gegen die strategien der imperialisten
reduziert, und gefehlt hat die suche nach unmittelbaren positiven zielen und
danach, wie eine gesellschaftliche alternative hier und heute schon anfangen
kann zu existieren.«

Es dauerte noch sechs weitere Jahre, bis aus der Suche nach »unmittelbaren
positiven Zielen« die Entscheidung für die Auflösung der RAF wurde, die einen
knappen Abriss der Geschichte der RAF mit einer eigenen, abschließenden
Positionsbestimmung verband: »Wir, die wir uns zum großen Teil erst spät in der
RAF organisierten, wollten unsere Grenzen durchbrechen und frei sein von allem,
was uns im System hält.« Das Resümee der RAF in diesem letzten Schreiben fiel
denkbar schlicht, dafür aber erstaunlich selbstbewusst aus: »Die RAF konnte
keinen Weg zur Befreiung aufzeigen. Aber sie hat mehr als zwei Jahrzehnte dazu
beigetragen, daß es den Gedanken an Befreiung heute gibt.« Was diese »Befreiung«
allerdings sein soll und wie sie auch nur ansatzweise aussehen könnte, bleibt
offen.


DISKREDITIERTES KONZEPT DER »BEFREIUNG«

Das freundliche, abschließende ­Gedenken der RAF an die »GenossInnen der
palästinensischen Befreiungsfront PFLP«, deren »internationale Solidarität beim
Versuch, die politischen Gefangenen zu befreien«, 1977 in der Entführung eines
vollbesetzten Passagierflugzeugs und der Ermordung des Pilo­ten bestand,
diskreditiert dieses unbestimmte Konzept der »Befreiung« jedenfalls.

Seit der Auflösungserklärung von 1998 haben sich die, die sie verfasst und sich
darin als »ehemalige Militante der RAF« bezeichnet hatten, nicht mehr zu Wort
gemeldet. Sie verstehen sich mittlerweile offenbar als Privatpersonen, die nach
ihrem Rückzug aus dem aktiv militanten Leben keine ­weiteren politischen
Verpflichtungen mehr haben. Ob die jetzt noch gesuchten Ernst-Volker Staub und
Burkhard Garweg oder die verhaftete Daniela Klette dazu gehören, weiß man nicht.

> Auch der Staat hat bisher wenig ­getan, um seine Rolle in dem Geschehen
> offenzulegen. Damit »alle Hintergründe« aufgedeckt werden können, bedürfte es
> auch insoweit einer Freigabe von Dokumenten.

Was mit den Indizien, die Medienberichte derzeit nicht ganz widerspruchsfrei
aufzählen, tatsächlich belegt werden kann, wird sich erst in ­einem
gerichtlichen Verfahren klären. Dass es in einem solchen Verfahren um die
»Aufklärung aller Hintergründe« gehen wird, wie der grüne Innenpolitiker
Konstantin von Notz, Vorsitzender des Parlamentarischen Kon­trollgremiums des
Bundestags, fordert, erscheint allerdings eher unwahrscheinlich.

Zum einen setzte das voraus, was derzeit allenfalls vermutet werden kann, dass
nämlich Daniela Klette und eventuelle weitere Angeklagte zu einer ­solchen
umfassenden Aufklärung überhaupt in der Lage sind. Es verlangte aber zum anderen
und mehr noch, dass sie nämlich, wenn sie es könnten, auch daran interessiert
wären. Dafür spricht derzeit zumindest das Schweigen über Taten und Tatumstände
sowie das nach wie vor offensichtliche Desinteresse zumindest der »ehemaligen
Militanten der RAF« an den Opfern ­ihrer Anschläge gerade nicht.

Auch der Staat hat bisher wenig ­getan, um seine Rolle in dem Geschehen
offenzulegen. Damit »alle Hintergründe« aufgedeckt werden können, bedürfte es
auch insoweit einer Freigabe von Dokumenten: von den Protokollen des Krisenstabs
über die Initi­ativen des Verfassungsschutzes, um Aussteiger zu (möglicherweise
falschen) Aussagen motivieren, bis zu den vollständigen ­Ermittlungsakten –
zumindest für Wissenschaftler:innen, die daran ein substantielles
Forschungsinteresse geltend machen können.

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 * WER IST LAGOTA?
   
   LAGOTA kommt vom Spanischen und heisst „der Tropfen“.
   
   LAGOTA ist eine politische Gruppierung, die sich als Teil der
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   sich interessierte Personen mit politischen Themen auseinandersetzen können.
   
   LAGOTA setzt sich zum Ziel, das politische Bewusstsein der Gesellschaft zu
   fördern. Ihr Antrieb ist die Überzeugung, dass das kapitalistische System
   überwunden werden muss, um die bestehenden Herrschaftsverhältnisse
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