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 * Schwierige Jamaika-Sondierung gestartet : Die neue Einsamkeit des Armin
   Laschet



Update 04.10.2021, 12:57 Uhr


SCHWIERIGE JAMAIKA-SONDIERUNG GESTARTET : DIE NEUE EINSAMKEIT DES ARMIN LASCHET

Merz weg, Spahn weg: Der CDU-Chef steht vor dem Aus. Er klammert sich an
Jamaika, doch die Chancen schwinden. Diskutiert wird mehr über das
Nachfolge-Prozedere.

Georg Ismar

CDU-Chef Armin Laschet auf dem Weg zur Sondierung mit der FDP auf dem
Euref-Campus, hinten rechts sein Vertrauter Nathanel...Foto: AFP

Und Herr Söder, sind Sie zuversichtlich? Es kommt nur ein kleines Nicken, als
der CSU-Chef mit Julia Klöckner am Gasometer in Berlin-Schöneberg vorbei in den
Backsteinbau schreitet, zur ersten Sondierungsrunde der Union mit der FDP. Über
20 schwarze Limousinen parken hier, allein das ist schon eine
Machtdemonstration, aber in der Union mokieren sie sich darüber, ob ein
15-köpfiges Verhandlungsteam wirklich zielführend ist. „Das ist doch
lächerlich“, sagt ein CDU-Mann dazu.

An diesem Sonntag des politischen Speed-Datings – 15.30 bis 17.30 Uhr: SPD/FDP;
18 bis 20 Uhr: SPD/Grüne und 18.30 bis 21 Uhr: Union/FDP – geht es auch um die
Zukunft von Armin Laschet. Ist die Union noch verhandlungsfähig oder sind die
Zentrifugalkräfte zu groß? Das liegt wie Blei auf diesen Versuchen, noch ein
Jamaika-Bündnis mit ihm als Kanzler zu schmieden.

Wie um neue Eintracht zu demonstrieren, kommen CDU-General Paul Ziemiak und
CSU-General Markus Blume gemeinsam.



Als einer der letzten kommt Laschet, er entsteigt mit dem Chef seiner
nordrhein-westfälischen Staatskanzlei der Limousine, Nathanel Liminski.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff kommt direkt von den Feiern
zum Tag der Deutschen Einheit in Halle, er macht auf Zweckoptimismus: „Nach der
Deutschen Einheit kann alles noch gut werden.“

CSU-General Blume betont nach dem Gespräch, bei dem Vertraulichkeit vereinbart
worden ist: „Das war ein guter Abend, ein guter Start, der Lust auf mehr macht“.
Und ja, auch die CSU wolle Jamaika. Dass er das extra betonen muss, spricht
schon Bände. Mit der FDP gibt es die geringsten inhaltlichen Differenzen, am
Dienstag spricht die Union mit den Grünen - es soll zeitnah Entscheidungen
geben, ob eher Jamaika oder die Ampel konkreter verhandelt werden soll.

FDP-General Volker Wissing sieht mit der Union zwar die wenigsten Klippen, will
sich aber nicht näher zum Zustand der Union äußern. Er stellt das Gespräch
wesentlich nüchterner dar und lässt die Umarmungsstrategien abperlen.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak betont fast beschwörend, es gebe ein großes
persönlichen Vertrauen, unglaublich große Gemeinsamkeiten. Klar sei, dass etwas
Neues entstehen müsse, mit neuen Ansätzen. "Wir sind bereit, als Union uns
dieser Verantwortung zu stellen."


VIELE SCHNITTMENGEN ABER MACHTKÄMPFE IN DER CDU

Doch die Union macht gerade keine Werbung für einen Aufbruch mit einem Kanzler
Laschet. Er konnte dieses Wochenende noch einmal mehr in den Abgrund blicken.
Die, die ihn mit auf den Schild des CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten
gehoben haben, in Erwartung lukrativer Ministerposten in der nächsten
Bundesregierung, fallen ihm in den Rücken. Erst Friedrich Merz, nun sogar sein
bisheriger Tandempartner, den er zum CDU-Vize erkoren hat: Jens Spahn.  



Sie beide, wie auch weitere einflussreiche CDU-Politiker wie Carsten Linnemann
kündigen ihm die Gefolgschaft auf - und verhandeln bereits das Prozedere der
Wahl eines neuen CDU-Chefs. Er klammert sich an die Aussicht, sich als Kanzler
in eine Jamaika-Koalition zu retten. Aber das wird von Tag zu Tag
unwahrscheinlicher, da er seine Autorität immer weiter verliert. Wo ihn erst die
CSU mir Markus Söder an der Spitze zermürbte und Olaf Scholz zum
wahrscheinlichen nächsten Bundeskanzler erklärte, erlebt nun eine rasante
Erosion was die Unterstützung in der CDU anbelangt. Das ist keine Werbung, um
FDP und Grüne zu gewinnen.

Und so stand das erste Sondierungstreffen von CDU/CSU mit der FDP schon vor
Beginn unter einem ungünstigen Stern. Auch nach Einschätzung von
Unions-Politikern ist man derzeit nur bedingt verhandlungsfähig. In den ersten
Umfragen nach der Wahl ist die Union auf 20 bis 21 Prozent gefallen, die SPD auf
28 Prozent gestiegen. Laut ZDF-Politbarometer wollen nur noch 24 Prozent ein
Jamaika-Bündnis und 13 Prozent Laschet als Kanzler.

Es gibt zwar Gedankenspiele, dass Jamaika mit einem Kanzler Markus Söder zur
Option werden könnte, wenn Ampel-Verhandlungen scheitern sollten. Das wäre
verfassungsrechtlich zwar möglich, aber Söder stand nie zur Wahl – daher sollte
nicht die Meinung der am Ende zu befragenden Grünen-Basis unterschätzt werden.

Merz wie auch Norbert Röttgen im Tagesspiegel-Interview umschreiben in aller
Klarheit, wie tief die Probleme der Union gehen, wie sie das Gespür für die
Sorgen verloren hat, vor lauter personeller Selbstbeschäftigung, die sich nun
auch nach dem Wahltag weiter fortsetzt. 

[Das komplette Interview lesen Sie bei Tagesspiegel Plus: Röttgen rechnet mit
Laschet ab: „Es reicht nicht, nur eine Person auszuwechseln“]

Merz schreibt in einer E-Mail an seine Unterstützer im Sauerland: „Ohne starke
und notfalls konfliktbereite politische Führung“ könne die CDU nicht aus dieser
Krise kommen.

Es ist unschwer zu erkennen, wen Merz für so eine Aufgabe geeignet hält. Da er
aber schon bei seiner Niederlage gegen Laschet bei der Bewerbung um den
Parteivorsitz gegen das Partei-Establishment wetterte, dass man ihn verhindern
wolle, hat er seine Meinung geändert: Er macht sich nun, wie auch Norbert
Röttgen für eine Mitgliederbefragung stark. Röttgen hat so schon einmal in
Nordrhein-Westfalen den CDU-Landesvorsitz gewonnen - gegen Armin Laschet. Beide
hätten bei so einem Verfahren größere Chancen.



Erst wollte Merz eigentlich nur ein drittes Mal für den Vorsitz kandidieren,
wenn ihm dieser angedient würde, also ohne erneute Kampfkandidatur. Da nun aber
zwei Konkurrenten ebenfalls antreten könnten und Merz vor allem Jens Spahn
verhindern will, setzt er - anders als früher offensichtlich - auf ein Votum der
Mitglieder. In seiner Mail fragt er, ob die immer noch rund 400.000 Mitglieder
der CDU weiterhin nur als Wahlhelfer genutzt werden sollen - oder mit ihren
Meinungen auch ernst genommen werden: „zu Sachfragen zuerst, dann aber auch zu
Personalentscheidungen?“.


Friedrich Merz, Wirtschaftsexperte in der CDU.Foto: Bernd Weißbrod/dpa


SPAHN WILL EINEN SONDERPARTEITAG

Es ist interessant, dass Spahn hingegen sagt, die Entscheidung solle auf einem
Sonderparteitag bis Ende Januar fallen und zwar unabhängig von der Frage, ob es
der Union doch noch gelingen sollte, eine Regierung unter ihrer Führung zu
bilden.

In der Partei müsse die nächste Generation „jetzt stärker sichtbar werden“,
sagte der 41-Jährige der „Welt am Sonntag“ und rückte von Laschet ab: "Dass im
Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen
hat, kann niemand leugnen." Die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur sollen
CDU und CSU laut Spahn künftig auf einem gemeinsamen Parteitag treffen.

Spahn gilt als gut vernetzt, telefoniert in diesen Tagen viel – denn droht der
Gang in die Opposition, könnte der ehrgeizige Bundesgesundheitsminister tief
fallen. Chef der Bundestagsfraktion ist bis mindestens Ende April 2022 Ralph
Brinkhaus, auch das Amt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten in der
Nachfolge von Laschet ist vorerst nicht erreichbar für ihn, da dieser anders als
ein Kanzler im Bund (der kein Bundestagsmandat braucht) ein Landtagsmandat
benötigt.

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"ER IST LASCHETS MANN, EIN FUNKTIONÄRSTYP"

Spahn hätte zweifelsohne größere Chancen bei einer Abstimmung durch Funktionäre
und Delegierte bei einem Parteitag, weniger an der Basis: "Er ist Laschets Mann,
stellvertretender Vorsitzender, ein typischer Funktionärstyp", sagt ein
einflussreicher CDU-Politiker, die Widerstände gegen einen neuen
CDU-Vorsitzenden Spahn würden täglich wachsen. Spahn ist nicht erst durch sein
Agieren in der Corona-Pandemie umstritten; verwiesen wird nun auch auf seine
Illoyalität gegenüber Laschet.

Und gerade nach dem Ignorieren der Basisstimmung bei dem Durchsetzen Laschets
als Kanzlerkandidaten gegen Söder, wächst in der Union der Druck für mehr
Mitgliedermitbestimmung, ähnlich wie das in der SPD nach jahrelangen Krisen zum
Maßstab geworden ist.

„Wir sollten lernen, dass man wichtige Personalfragen wie eine Kanzlerkandidatur
nicht mit einer Gremienmehrheit durchdrücken kann - gegen die Mehrheit der
Abgeordneten, der Mitglieder, der Öffentlichkeit“, sagt Röttgen im Interview mit
dem Tagesspiegel. In bestimmten Situationen halte er daher
Mitgliederentscheidungen für sinnvoll. „Die können entscheiden: Will ich Merz,
Laschet oder Röttgen? Will ich Söder oder Laschet?“


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).Foto: Michael Kappeler/dp

Auch der frühere Bundesumweltminister wird erneut für den Vorsitz gehandelt.
„Ich habe immer gesagt: Wenn wir die inhaltlichen Debatten nicht führen, werden
wir dafür einen sehr, sehr hohen Preis bezahlen“, sagt Röttgen, der die Partei
vor dem Verlust des Volkspartei-Status sieht. „So, da sind wir jetzt. Die
Erneuerung der Partei muss daher unbedingt inhaltliche, kommunikative,
organisatorische und personelle Fragen zusammenbringen.“


EINE MITGLIEDERBEFRAGUNG, UM SPAHN ZU VERHINDERN?

Auch Unterstützer von Merz wie Carsten Linnemann, der Mittelstands-Politiker
Christian von Stetten und der Hamburger Landesvorsitzende Christoph Ploß
verlangen in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, dass bei
Entscheidungen in der CDU „die Meinung der Mitglieder stärker berücksichtigt
werden sollten“.

Linnemann betont, falls ein Jamaika-Bündnis unter Führung der Union nicht
zustandekomme und Laschet sein Amt verliere, müsse die nächste Parteiführung
über eine Mitgliederbefragung bestimmt werden. Spahn dürfte es damit zunehmend
schwer haben, sich mit seinem Parteitags-Plan durchzusetzen.

[Lesen Sie zudem eine Analyse zum Desaster der Union: „Ansonsten wählen wir den
aufrechten Gang in die Opposition“ (T+)]

Allein schon die drei sehr unterschiedlichen Typen Merz, Spahn und Röttgen
zeigen, dass der Union harte Richtungskämpfe bevorstehen, zurück zu einem
konservativeren Kurs als unter Angela Merkel oder zu einem liberalen
Modernisierungskurs, für den zum Beispiel Röttgen steht.

Randnotiz: Nach der Ära Angela Merkel schwingen sich bisher weiterhin nur Männer
auf, die Partei zu führen und zu reformieren.

Merz betont, die Union habe auf keine der großen politischen Fragen der
Gegenwart - geschweige denn der Zukunft - mehr eine überzeugende Antwort. „24,1
Prozent und Platz 2 waren vor diesem Hintergrund sogar noch ein relativ gutes
Ergebnis, im Wesentlichen erreicht durch die Angst vor Rot-Grün-Rot.“ Angst vor
dem politischen Gegner sei auf Dauer aber keine Basis für eine erfolgreiche
Parteiarbeit. „Und da Rot-Grün-Rot jetzt keine Bedrohung mehr ist, können die
Zustimmungswerte für die Union auch noch weiter fallen.“


LASCHETS SCHICKSAL HÄNGT JETZT AUCH AN LINDNER

Im Prinzip hängt das Schicksal Laschets jetzt vor allem an FDP-Chef Christian
Lindner, der gerne mit Laschet als Kanzler regiert hätte. Erwartet wird eine
recht zügige Entscheidung, wer mit wem Koalitionsverhandlungen aufnehmen will.

Die Union spricht nach der FDP an diesem Sonntag am Dienstag mit den Grünen. Da
aber die Jamaika-Variante wegen der immer stärkeren Kritik an CDU-Chef Laschet
derzeit zunehmend unrealistisch erscheint, könnten FDP und Grüne dann
entscheiden, ob sie zunächst mit der SPD in Koalitionsverhandlungen eintreten
wollen.

Wäre das der Fall, wäre Laschets Schicksal wohl besiegelt.


DIE PARALLELEN ZUM FALL DES MARTIN SCHULZ

Einer, der mit Laschet mitfühlen kann, ist Martin Schulz. Er wurde nach der
Wahlniederlage 2017 auch von den eigenen Leuten zermürbt, durfte noch die große
Koalition mitaushandeln, verlor dann den Parteivorsitz und wurde einfacher
Abgeordneter. Er rät dem CDU-Vorsitzenden zum Aufgeben, bevor es ganz bitter
wird.


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„Laschet klammert sich an die Jamaika-Perspektive, weil er glaubt, das sei seine
Lebensversicherung.“ Das führe zu einer Hängepartie in der Union, sagte Schulz
der „Bild am Sonntag“. „Wenn es die theoretische Möglichkeit von Jamaika nicht
gäbe, wäre Laschet schon von den eigenen Leuten zum Rücktritt gezwungen worden.
Noch kommt keiner von seinen Feinden so richtig aus der Deckung, weil keiner der
böse Bube sein will.“

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 1. Ruedpet 04.10.2021, 16:24 Uhr
    "Erkenne dich selbst !" - diese Maxime scheint an jemandem wie Laschet
    vorbeigegangen zu sein. Schon als es um den Parteivorsitz ging ( mir
    Perspektive "Kanzlerkandidatur" ) war mir klar: er mag ein akzeptabler
    Ministerpräsident in NRW sein, aber für die nächste Stufe "Bundeskanzler"
    ist eralles in allem einfach nicht geeignet. Aber das hat die CDU-Basis
    anderes gesehen; jetzt muss sich die gesamte Bundesrepublik mit Laschets
    Karriereambitionen herumschlagen, weil er - wie viele schon angemerkt haben
    - die Zeichen nicht erkennen will. Schade, dass nicht ein paar Wähler mehr
    die SPD gewählt haben ( auch von den Sympathisanten der "Grünen" !), damit
    die Sache schon am Wahlabend eindeutig gewesen wäre  - wenn Scholz z.B. so
    etwas wie 27 % auf sich hätte vereinigen können. Dann wäre uns das jetzige
    "Theater" erspart geblieben !

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