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MEDIEN-MARKT


DEUTSCHLANDS TV-MARKT STEHT VOR UMBRUCH

Im deutschen TV-Markt stehen weitreichende Veränderungen bevor. Der
amerikanische Medien-Konzern Comcast will sich von Sky Deutschland trennen, der
italienische Medien-Konzern Media For Europe (Berlusconi) will die
ProSiebenSat.1 SE übernehmen und die ARD-Intendanten denken laut bzw. öffentlich
über Reform-Pläne über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nach. 

So viel Bewegung auf einmal im deutschen TV-Sektor gab es bis dato noch nie. Ein
bisschen erinnert das an den Start des privaten Fernsehens Mitte der 80er, doch
die jetzigen Aktivitäten sind voluminöser und vor allem greifen sie schneller in
das Markt-Geschehen ein.

Drei Big Deals, die den TV-Markt verändern

Jede der drei genannten Vorgänge hat ihre eigene (kurzfristige) Geschichte mit
einer jeweils anderen Fakten-Lage. Für sich genommen ist jeder Vorgang auf den
ersten Blick plausibel. Zusammen betreffen diese drei "Bewegungen" mehr als die
Hälfte des Zuschauer-Marktes, und sie stellen zusammen ein Umsatz-Volumen
zwischen 15 und 20 Milliarden Euro dar.

Der US-Konzern Comcast ist mit dem geschäftlichen Verlauf von Sky Deutschland
nicht zufrieden und sieht offenkundig keine Perspektive, wie das mittel- und
langfristig erfolgreich geändert werden könnte. Der deutsche Sprachraum mit
seinen gut 100 Millionen Kunden bietet aus der Sicht der global denkenden und
handelnden Comcast-Strategen nicht genug Ansätze. Zudem ist der Wettbewerb im
deutschsprachigen Bewegtbild-Markt einfach zu stark. Es gibt jede Menge Anbieter
und dafür einfach ein zu kleines Zuschauer-Potenzial.

Die Absicht der Berlusconi-Holding MFE, die "alleinige Kontrolle" über die
ProSiebenSat.1-Gruppe bei den Aufsichts- und Kartell-Behörden anzumelden (new
business berichtete exklusiv), spiegelt die Idee eines europäischen
Sender-Konglomerats wider. Dieser Traum ist nicht neu, den wollten einst die
beiden TV-Mogule Leo Kirch und Silvio Berlusconi schon mal in Angriff nehmen.
Die Chance bestand, doch die Zeit war nicht reif. 

Das Thema Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ebenfalls nicht neu.
Gleichwohl hat WDR-Intendant Tom Buhrow mit seiner Rede Anfang November 2022 vor
dem Übersee-Klub in Hamburg das Thema ebenso mutig wie strategisch klug aufs
Parkett gebracht.

So legte er kein offizielles ARD-Konstrukt dar, sondern nur seine persönlichen
Einschätzungen. Gleichwohl ist es ihm gelungen, das Thema wieder an die ARD
heranzuholen (und das in einer Phase, wo die ARD durch die rbb-Probleme gelähmt
schien). Zuvor hatten sich die Länder-Regierungen im Zuge der
Gebühren-Erhöhungen einen Teil der Deutungshoheit in Sachen ARD und ZDF sichern
können. 

Dank Tom Buhrow, dem schnell der SWR-Intendant Kai Gniffke zur Seite sprang,
liegt der Ball des Handelns wieder beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der
zeigt nicht nur einen starken Reform-Willen, sondern auch ein ebenso starkes
Verantwortungsbewusstsein - gepaart mit einer Offenheit für eine pragmatische
Vorgehensweise.

Auslöser sind die Internet-Giganten und neue Gewohnheiten beim Medien-Konsum

Wie schon erwähnt, auf den ersten Blick haben diese drei Geschichten jeweils
ihre eigene Agenda, doch auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es mehrere
Zusammenhänge gibt, die alle drei Vorgänge maßgeblich beeinflussen. Dazu gehört
das Thema Markt-Macht bzw. so mächtige Player wie Amazon oder Netflix, die erst
seit rund zehn Jahren im TV-Business aktiv sind, es aber bereits spürbar
beeinflussen.

Ein weiterer Faktor ist der veränderte Medien-Konsum - weg vom analogen
Fernsehen mit strarren Programm-Angeboten hin zum Streaming mit
Programm-Angeboten, die der Zuschauer sowohl zeitlich wie inhaltlich individuell
auswählt.

Die beiden Faktoren Markt-Macht und veränderter Medien-Konsum sind das Ergebnis
neuer technologischer Möglichkeiten - nämlich einer komplett veränderten
Content-Distribution. Die Hürden für die Verbreitung von Bewegtbild-Inhalten
sind technisch gesehen sehr niedrig, lediglich durch die rechtlichen Bedingungen
gibt es noch größere Hürden. Durch die neuen technischen Möglichkeiten ist es
deutlich leichter, sich einen Markt-Zutritt zu verschaffen - das verändert die
Konkurrenz-Bedingungen. 

Amazon, Netflix & Co. verändern den TV-Markt

Mit Playern wie Amazon oder Netflix sind für die traditionellen TV-Anbieter
schlagartig neue und vor allem starke Konkurrenten entstanden, die im
Rechte-Sektor ebenso ganz oben mitspielen wie im Zuschauer-Markt. In beiden
Bereichen machen sie den traditionellen TV-Sendern das Leben schwer. Sie
arbeiten mit anderen ökonomischen Modellen und haben sich bereits viele
attraktive Content-Rechte vom Sport bis hin zu Fiction-Formaten gesichert. 

Junge Zuschauer-Generationen gehen neue Wege

Entscheidend für den Erfolg eines TV-Senders bzw. eines TV-Programms ist die
Nachfrage seitens der Zuschauer. Und da zeichnen sich gravierende Veränderungen
ab. Noch erfreuen sich die analogen "Lagerfeuer" wie Tagesschau, Tatort oder die
Soko-Krimi-Serien einer hohen Quote, doch die jüngeren Zielgruppen nutzen die
Programm-Angebote komplett anders. Sie schalten keinen Fernseher ein, sondern
den Computer-Bildschirm und gehen über die Streaming-Plattformen individuell zur
gewünschten Sendung. 

Das TV-Business muss neu gedacht werden

Angesichts dieser grundsätzlichen Markt-Entwicklungen bekommen die drei Vorgänge
einen anderen Charakter. Am deutlichsten hat das der WDR-Intendant Tom Buhrow
ausgesprochen. Aber auch die möglichen Deals Sky bzw. P7S1 gilt es unter diesen
Aspekten zu beleuchten. 

Da ergibt sich aus dem MFE-Interesse an ProSiebenSat.1 ein anderer Sinn -
zumindest aus der Perspektive von Finanz-Investoren. Sollte es der
Berlusconi-Familie gelingen einen oder zwei kapitalkräftige
Private-Equity-Companies an ihre Seite zun holen, dann klappt es mit dem Deal
(der Axel Springer-Deal mit KKR lässt grüßen). 

Bei Sky Deutschland werden so unterschiedliche Kauf-Interessenten wie Canal+ und
United Internet / Ralph Dommermuth (erstmals von DWDL ins Spiel gebracht)
genannt. Bei Canal+ würden sich mögliche Skalen-Effekte durch das Modell eines
europäischen Pay-Konstruktes ergeben. Bei United Internet liegt die Phantasie im
attraktiveren Angebot für potenzielle Internet- /Handy-Kunden. United Internet
würde mit der Deutschen Telekom (Magenta TV) sowie Vodafone gleichziehen. 



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Peter Strahlendorf 21.12.2022

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