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 * MFS-SCHULUNGSFILM "REVISOR – UNGESETZLICHE VERBINDUNGSAUFNAHME"
   
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   MFS-SCHULUNGSFILM "REVISOR – UNGESETZLICHE VERBINDUNGSAUFNAHME"
   
   Signatur: BStU, MfS, HA II, Vi, Nr. 70
   
   Der Stasi-Lehrfilm "Revisor" zeigt die Überwachung, Verfolgung und
   Inhaftierung eines Mannes im Visier der Stasi. Er dokumentiert unter anderem
   eine "konspirative" Wohnungsdurchsuchung.
   
   Der Stasi-Lehrfilm "Revisor" zeigt am Beispiel eines realen Falls aus dem
   Jahr 1985 Mittel und Methoden der Stasi bei der Überwachung, Verfolgung und
   Inhaftierung eines Mannes, der von der Stasi den Decknamen "Revisor" erhalten
   hatte. Der Vorgang wurde durch Mitarbeiter des MfS teilweise mitgefilmt und
   ergänzt mit der Darstellung von Aktenstücken, die kommentiert werden. Der
   dabei entstandene Film diente zur internen Schulung eines engen Kreises von
   Mitarbeitern. Diese sollten lernen, wie eine "konspirative"
   Wohnungsdurchsuchung durchzuführen ist und wie man einen Menschen unbemerkt
   auf offener Straße verhaftet.
   
   Der Film macht deutlich, über welche offiziellen und inoffiziellen
   Informationsmöglichkeiten das MfS verfügte. Er dokumentiert auch, wie weit
   die Befugnisse der Stasi reichten. So liefen beispielsweise sämtliche
   Schritte bis hin zur Verhaftung des Mannes in Verantwortung des MfS ab. Da
   der Film konspirativ hergestellt und ausschließlich intern verwendet wurde,
   spiegelt die Kommentierung unverfälscht die Sprache, Perspektive und das
   idealisiertes Selbstbild der Stasi und seiner Mitarbeiter wider.
   
   --------------------------------------------------------------------------------
   
   METADATEN
   
   Diensteinheit: Hauptabteilung II Urheber: MfS Datum: 1985 Rechte: BStU
   Zustand: Bildstörungen Spielzeit: 33 Minuten, 24 Sekunden Überlieferungsform:
   VHS
   Transkript
   
   
   TRANSKRIPT
   
   Im Januar 1984 wurde durch die Hauptabteilung II die im Operativen Vorgang
   "Revisor" wegen Verdachts der ungesetzlichen Verbindungsaufnahme Paragraph
   219 Strafgesetzbuch operativ bearbeitete Person festgenommen und ein
   Ermittlungsverfahren eingeleitet.
   
   Die Videodokumentation soll das prinzipielle Vorgehen und bestimmte Etappen
   der Vorgangsbearbeitung vom Ersthinweis über die Bearbeitung inoffizieller
   Beweise bis zur Festnahme veranschaulichen und die vorbeugende Verhinderung
   eines beträchtlichen politischen Schadens für die DDR verdeutlichen.
   
   Die operative Bearbeitung dieses DDR-Bürgers wurde aufgrund eines Hinweises
   des IMB "Roland" aufgenommen.
   
   Beim Treff am 7.3.1983 berichtete der IMB dass er auftragsgemäß am 4.3.1983
   das Büro der ARD in Berlin Schadowstraße 4 aufsuchte und mit dem
   Korrespondenten Merseburger ein ca. einstündiges Gespräch führte. Während
   dieser Zeit wurde er Zeuge eines Anrufes im ARD-Büro.
   
   Im IM-Bericht heißt es dazu:
   
   Als ich mich erneut am 4.3. 1983 von ca. 14 bis 15 Uhr im Büro des
   Merseburger aufhielt, rief dort gegen 14:15 Uhr eine männliche Person an. Ich
   konnte den Fragen und Antworten des Merseburger entnehmen, dass sich der
   Anrufer mit dem Namen [anonymisiert] oder ähnlich vorstellte und angab im
   Kombinat Autotrans in Berlin-Lichtenberg tätig zu sein.
   
   Der Anrufer will zu einem mir nicht bekannten gewordenen Zeitpunkt das Büro
   aufsuchen. Da er sich nach den Öffnungszeiten erkundigte, nehme ich an, dass
   er nicht schon einmal dort war. Zum Anliegen selbst wurde mir nichts bekannt.
   Merseburger äußerte sich zum Gespräch in keiner Weise.
   
   In Auswertung dieses Treffs mit dem IMB Roland wurde entschieden den Anrufer
   im Kombinat Autotrans konspirativ zu identifizieren, umgehend in allen
   Speichern zu überprüfen und nach Vorliegen erster Ermittlungsergebnisse
   Festlegungen über die weitere Bearbeitung des Ausgangshinweises zu treffen.
   
   In der Kaderabteilung des Kombinates Autotrans Berlin konspirativ geführt
   Ermittlungen ergaben, dass es sich bei dem gesuchten Anrufer mit hoher
   Wahrscheinlichkeit handelt um den [anonymisiert], geboren am [anonymisiert]
   in [anonymisiert], wohnhaft [anonymisiert], tätig als Diplomwirtschaftler im
   Kombinat Autotrans Berlin, Betriebsteil Lichtenberg. Personen mit ähnlichen
   Namen waren weder zu diesem Zeitpunkt noch vorher in Lichtenberg
   beziehungsweise anderen Betriebsteilen des Kombinates beschäftigt.
   
   Die Überprüfung in der Abteilung 12 ergab, dass [anonymisiert] noch nicht
   erfasst war. Durch weitere Prüfungen in Speichern der Hauptabteilung II wurde
   festgestellt, dass [anonymisiert], im weiteren "Revisor" genannt, am
   16.12.1982 die Ständige Vertretung der BRD in der DDR aufsuchte. Das
   abgebildete Foto zeigt ihn beim Betreten der Vertretung.
   
   Diesen Sachverhalt hatte die Hauptabteilung II/12 der territorial zuständigen
   Diensteinheit der Abteilung II der BV Berlin mitgeteilt und "Revisor" in der
   VSH-Kartei erfasst.
   
   Durch die Abteilung II der BV Berlin waren zu diesem Hinweis zwischenzeitlich
   noch keine politisch-operativen Maßnahmen eingeleitet und durchgeführt
   worden.
   
   Aufgrund des Vorliegens der beiden Hinweise wurde durch die vorgangsführende
   Abteilung noch vor Einleitung erster Ermittlungen "Revisor" am 10.3.83 in der
   Abteilung XII vorerst KK-erfasst.
   
   Konspirativ geführte Ermittlungen ergaben unter anderem folgende Hinweise zur
   Person des "Revisor":
   
   Nach Abschluss der Mittelschule erlernte er den Beruf eines Kaufmanns und war
   als solcher bis zum Jahre 1940 tätig.
   
   Er meldete sich freiwillig zur faschistischen Kriegsmarine aus der er im
   Jahre 1944 mit dem Dienstgrad eines Obermaats aus gesundheitlichen Gründen
   ausgemustert wurde
   
   Im Jahre 1946 legte er an der Wirtschaftshochschule die Sonderreifeprüfung
   ab, absolvierte bis 1951 ein Studium an der Wirtschaftswissenschaftlichen
   Fakultät der Humboldt-Universität mit dem Abschluss als Diplomwirtschaftler
   und war dort nachfolgend als Hochschuldozent tätig.
   
   Nach erfolgreicher Absolvierung eines Fernstudienlehrganges an der
   Parteihochschule der SED von 1951 bis 1954 arbeitete "Revisor" in der
   Folgezeit bis zum Jahre 1972 in verschiedenen Industriebetrieben in der
   Hauptstadt der DDR in seinem Beruf als Diplomwirtschaftler, so unter anderem
   im VEB Turbinen- und Generatoren, Institut für Regelungstechnik VEB Kabelwerk
   Oberspree, VEB Industrierohrleitungsmontage Berlin und VEB Bürensiegel.
   
   Von 1972 bis 1980 stand er in keinem ArbeitsrechtsVerhältnis und nahm am
   17.1.1980 eine Tätigkeit als Tarifsachbearbeiter im VEB Kombinat Autotrans
   Berlin auf.
   
   Im Zeitraum von 1950 bis 1962 war "Revisor" an der Erarbeitung und Herausgabe
   von Fachliteratur verwaltungstechnischen Inhalts beteiligt.
   
   In den Beurteilungen der Betriebe wurde "Revisor" anfangs mehr, später
   weniger eine weitestgehende selbständige Arbeit in guter Qualität
   bescheinigt. Er leistete ein großes Arbeitspensum und arbeitete sehr
   gründlich und beharrlich an der Lösung der ihm ?bertragenen
   Organisationsaufgaben.
   
   Durch die Ermittlungen wurde des weiteren bekannt, dass "Revisor" von 1946
   bis 1960 der SED angehörte. Nach seinen Angaben sei er 1960 von seiner
   damaligen Arbeitsstelle der VVB Energiemaschinenbau angeblich wegen
   kritischer Äußerungen zu Leitungs- und Organisationsmethoden aus der Partei
   ausgeschlossen worden.
   
   In den Beurteilungen waren aber auch solche Hinweise enthalten, dass er sehr
   verschlossen ist, keinen Kontakt zu den Mitarbeitern bekommt, und dass er
   sich nicht in das Kollektiv einfügte.
   
   Die Ermittlungen ergaben unter anderem ferner, dass "Revisor" 1955 von seiner
   Ehefrau geschieden wurde und an der bereits genannten Adresse seit 1957 eine
   ausgebaute Mansardenwohnung in der 4. Etage bewohnt. Im Haus und im
   Wohngebiet unterhielt er keinerlei Kontakte und lebte völlig zurückgezogen
   allein in seiner Wohnung.
   
   Zu diesem Zeitpunkt April/Mai 1983 wurden keine Hinweise hinsichtlich der
   Motive des "Revisor" für das Aufsuchen der Ständigen Vertretung der BRD und
   für die Kontaktaufnahme zum ARD-Büro erarbeitet.
   
   In den folgenden Wochen und Monaten ergaben weder die zielgerichtet zu seiner
   Person eingeleiteten allgemeinen Überprüfungs- und Kontrollmaßnahmen noch die
   anderweitigen spezifischen Maßnahmen Anhaltspunkte dafür, dass es sich um
   eine Verbindung zu bevorrechteten Personen und diplomatischen Vertretungen
   beziehungsweise Korrespondenten und Büros von Publikationsorganen nicht
   sozialistischer oder operativ interessierender Staaten bemühte oder gar den
   Kontakt in irgendeiner Form zu diesen herstellte.
   
   Im Dezember 1983 wurde ein weiterer relevanter Hinweis zu "Revisor" durch
   einen erprobten und zuverlässigen Inoffiziellen Mitarbeiter erarbeitet.
   
   Der IMB "Klaus" besaß zu dem in der DDR akkreditierten Korrespondenten des
   "Stern" "Pragal" bereits aus jener Zeit einen guten Kontakt, als dieser von
   1974 bis '79 als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in der DDR
   akkreditiert war.
   
   Am 8.12.1983 suchte der IMB den Pragal erneut in dessen Büro der Leipziger
   Straße 56 auf.
   
   Aufgrund des großen Vertrauens des Pragal zum IMB durch den langfristigen
   Charakter der Verbindung besaß, ließ er diesen zur Durcharbeitung von
   BRD-Zeitungen und anderen Materialen für ca. 30 Minuten allein in seinem
   Büro. Dabei konnte der IMB zu Absichten und zum feindlichen Vorgehen eine
   Reihe von wertvollen Informationen erarbeiten.
   
   Im IM-Bericht heißt es dazu:
   
   Zufällig fand ich einige handschriftlichen Notizen, die Pragal angefertigt
   hatte. Da er mich in letzter Zeit des öfteren zur Arbeitskräftesituation,
   angebliche Arbeitslosigkeit in der DDR, befragte, erregten die Aufzeichnungen
   mein Interesse.
   
   Es ging offensichtlich darum, dass ein Herr [anonymisiert] oder ähnlich von
   Autotrans Berlin-Lichtenberg, Kontakt zu Pragal aufgenommen hat und ihm
   gegenüber behauptet hatte, dass er Arbeitslose kennen würde. Ihm selbst hätte
   man angeblich von 1972 bis '80 einen entsprechenden Arbeitsplatz verweigert.
   
   Deshalb hätte er Eingaben an staatliche Stellen, unter anderem auch an das
   Oberste Gericht gemacht, die er Pragal vorlegen könne. Jedenfalls habe ich
   diesen Schluss aus den Notizen gezogen.
   
   Zum anderen hatte sich Pragal vermerkt, dass dieser DDR-Bürger Schriftstücke
   verfassen würde, früher war es wohl Fachliteratur und heute mehr Gedichte und
   Geschichten, in denen anscheinend vom Verfasser zum Ausdruck gebracht wird,
   dass die Ideologie bei uns Schwindel sei und es keine Menschrechte gäbe.
   
   Dass der DDR-Bürger glaubt, sein Material nicht in der DDR veröffentlichen zu
   können.
   
   Dass er sich an Pragal wendet, weil er von der Ständigen Vertretung der BRD
   in der DDR und vom Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung [anonymisiert]
   die Auskunft bekommen hatte, dass der Stern über einen eigenen Verlag verfügt
   und sich von Pragal erhofft, dass er ihm bei der Vermittlung an den Verlag
   des Stern behilflich sein kann.
   
   Ich nehme an, dass Pragal an den Herrn [anonymisiert] oder ähnlich
   interessiert ist, denn aus den Notizen ging auch hervor, dass er sich selbst
   ein Bild von dem Material machen will und zu diesem Zweck [anonymisiert] oder
   ähnlich für den 7.1.1984 in seinem Büro erwartet.
   
   In Auswertung der Ergebnisse des Treffs mit dem IMB "Klaus" und durch die
   Analyse des bis zu diesem Zeitpunkt erarbeiteten operativen Materials wurde
   geschlussfolgert, dass es sich bei den in den handschriftlichen
   Aufzeichnungen des Pragal genannten [anonymisiert] oder ähnlich mit hoher
   Wahrscheinlichkeit um den bereits bekannten "Revisor", und dass es sich bei
   dem Material des "Revisor", welches er dem Pragal übergeben will, um die DDR
   diffamierende Machwerke handelt.
   
   Gelangen sie in die Hände des Feindes, führen sie vermutlich in den
   westlichen Medien zu einer umfangreichen Hetzkampagne gegen die DDR.
   
   Aus dieser Einschätzung ergab sich die zwingende Notwendigkeit, umgehend
   wirksame politisch-operative Maßnahmen zur Unterbindung der von "Revisor"
   geplanten Aktivitäten zu realisieren und eine Übergabe des Materials an
   Pragal am 7.1.1984 zu verhindern.
   
   Zur Überprüfung der vorliegenden Hinweise zu zur Realisierung der genannten
   Aufgabenstellung wurde festgelegt, die Wohnung des "Revisor" konspirativ zu
   durchsuchen und festzustellen, ob der von der vorgangsführenden Abteilung
   operativ bearbeitete "Revisor" mit dem [anonymisiert] identisch ist, der die
   Verbindung zum Stern-Korrespondent Pragal aufnahm.
   
   Ob "Revisor" Schriften, Manuskripte oder andere Materialien anfertigte, die
   geeignet sind, den Interessen der DDR zu schaden und ob, beziehungsweise
   welche Anhaltspunkte dafür vorliegen dass er diese Materialien am 7.1.1984 an
   den Stern übergeben will.
   
   Nachdem "Revisor" einige Tage vor und nach der Arbeitszeit durch eigene
   Beobachtungskräfte unter Kontrolle gehalten worden war erfolgte am 5.1.1984
   die konspirative Wohnungsdurchsuchung.
   
   An diesem Tag verließ er wie gewöhnlich mit einer braunen Aktentasche um 6:28
   Uhr das Wohnhaus, ging zügig durch die Wotanstraße in Richtung
   Gottlindestraße, überquerte diese und den Parkplatz hinter der Gaststätte
   "Zum Bauarbeiter", ging am Bauarbeiter-Hotel vorbei durch die Siegfriedstraße
   bis zu seiner Arbeitsstelle. Um 6.40 Uhr betrat "Revisor" den Neubau
   Herzberg- Ecke Siegfriedstraße, in welchem sich das Kombinat Autotrans
   befindet.
   
   Die Beobachtungskräfte verblieben während der Zeit der konspirativen
   Wohnungsdurchsuchung vor dem Betrieb und sicherten ab, dass "Revisor" nicht
   unvorhergesehen unsere Maßnahme stören konnte.
   
   Nachdem die unmittelbar unter "Revisor" wohnenden Mieter ebenfalls um 7.11
   Uhr beziehungsweise um 7.20 Uhr das Wohnaus verlassen und ihre Arbeitsstellen
   aufgesucht hatten wurde mit der konspirativen Wohnungsdurchsuchung begonnen.
   
   Drei operative Mitarbeiter, zwei davon in Uniform, realisierten unter der
   Legende "Brandschutzkontrolle auf dem Dachboden" die Vorsicherung.
   
   Nachdem sich die Sicherungskräfte überzeugt hatten, dass sich links und
   rechts neben der Mansardenwohnung des "Revisor" befindlichen Bodenräumen
   keine Personen aufhielten, und aus seiner Wohnung keine Geräusche zu
   vernehmen waren, betraten die über Funk verständigten und für die
   konspirative eigesetzten Kräfte das Wohnhaus.
   
   Der Spezialist öffnete mittels Nachschlüssel das Buntbartschloss um 9:10.
   
   Da das obere Sicherheitsschloss nicht verschlossen war verlief der
   Schließprozess schnell und ohne Komplikationen. Die Durchsuchungskräfte
   überzeugten sich, dass sich niemand in der Wohnung aufhielt und schlossen die
   Wohnung von innen ab. Die Sicherheitskräfte verblieben auf ihren Posten
   außerhalb der Wohnung.
   
   Die Wohnung bestand aus zwei kleinen Räumen, Wohn- und Schlafzimmer sowie aus
   Küche, Bad, Abstellkammer und Flur Es war nicht zu übersehen, dass sie von
   einem Junggesellen bewohnt wurde. Ordnung und Sauberkeit ließen zu Wünschen
   übrig.
   
   Die Mitarbeiter begannen mit der Durchsuchung des Wohnzimmers und fertigten,
   wie auch in den anderen Zimmern, zuerst Übersichtsaufnahmen mit einer
   Polaroid-Kamera. Auf dem Tisch im Wohnzimmer lagen unter anderem schriftliche
   Unterlagen, Kalender, Zettel mit handschriftlichen Aufzeichnungen, auch eine
   herausgerissene Seite aus einem Notizbuch mit dem handschriftlichen Vermerk:
   "Sonnabend, 7. Januar 1984, 9.30 Uhr Herr Pragal, Leipziger Straße 65, 11
   Stock, Wohnung 4, Telefon: 2081012.
   
   Damit war inoffiziell bewiesen, dass zwischen "Revisor" und dem
   Stern-Korrespondenten Kontakt bestand und eine konkrete Vereinbarung für den
   7.1.1984 getroffen wurde.
   
   Auf dem Tisch lag des Weiteren eine Klemmmappe mit circa 200 Blatt DIN A4 mit
   maschinenschriftlichen Gedichten unter dem Titel "Allerlei Gereimtes, Teil
   4", chronologisch geordnet von 1971 bis 1976.
   
   Entsprechend der Zielstellung der konspirativen Wohnungsdurchsuchung wurde
   das Vorgehen der die Durchsuchung durchführenden Mitarbeiter bestimmt.
   Aufgrund der vorliegenden Hinweise ging es, nachdem die Verbindung zum
   Stern-Korrespondenten bereits inoffiziell bewiesen war, jetzt insbesondere
   darum, schriftliche Unterlagen zu sichern und beweiskräftig zu dokumentieren,
   deren Inhalt sich gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR
   richtete.
   
   Im Schrank auf dem Flur befanden sich unter anderem fünf Gedichtbände,
   "Allerlei Gereimtes", Teil 1 bis 3 und 5 bis 6 aus den Jahren 1966 bis '70
   und 1975 bis 83. Ein Romanmanuskript "Die Sommerferien", 292 Seiten, ein
   Romanmanuskript "Die Seemannskiste - Märchen und Kurzgeschichten", Teil 1 und
   2, insgesamt 282 Seiten, ein Band mit Kurzgeschichten, 121 Seiten, ein
   Manuskript eines utopischen Romanes "Okulano", Teil 1 bis 3 aus den Jahren
   1970 bis 1971 mit insgesamt 370 Seiten sowie diverse betriebliche und
   berufliche Unterlagen des "Revisor".
   
   Soweit es die Zeit zuließ, ergab die stichprobenartige Durchsicht der von
   "Revisor" gefertigten Gedichte und Romane, dass sich ein großer Teil dieser
   Machwerke, in offner oder versteckter Form, gegen die gesellschaftlichen
   Verhältnisse in der DDR richtete.
   
   Im gleichen Schrank befand sich eine Reiseschreibmaschine vom Typ "Erika".
   Von ihr wurde eine Schriftprobe entnommen, da sie vermutlich von "Revisor"
   zur Anfertigung der maschinenschriftlichen Aufzeichnungen benutzt wurde.
   
   Im Schlafzimmer wurde im linken Kleiderschrank eine braune Lederaktentasche
   vorgefunden, die unter anderem folgende Materialien enthielt:
   
   Eine Mappe mit Durchschlägen von Eingaben an den Staatsrat, die Volkskammer
   und das Oberste Gericht der DDR, drei Fachbücher aus den Jahren 1958 bis
   1961, die "Revisor" geschrieben hatte, beziehungsweise an deren Arbeit er
   beteiligt war.
   
   Die anschließende konspirative Durchsuchung des Bades, der Küche und der
   kleinen Abstellkammer ergab keine weitere operativen Anhaltspunkte.
   
   Hinweise auf nachrichtendienstliche Hilfsmittel beziehungsweise auf ein
   nachrichtendienstliche Tätigkeit konnten nicht erarbeitet werden.
   
   Große Teile der vorgefundenen hand- und maschinenschriftlichen
   Aufzeichnungen, insbesondere solche, die strafrechtlich relevante Hinweise
   beinhalten könnten, wurden mit dem sowjetischen Yel-Gerät [Anmerkung: von
   "Yelka-Reprokamera"] in der Küche dokumentiert.
   
   So unter anderem der Zettel mit Namen und Anschrift des Stern-Korrespondenten
   Pragal mit der vereinbarten Zusammenkunft, die Teile 4 und 6 der Mappen mit
   den Gedichten "Allerlei Gereimtes" von 1971 bis 1976 und 1983 sowie die
   Inhaltsverzeichnisse der anderen Bände, Aufzeichnungen mit Namen, Adressen
   und Telefonnummern, der Inhalt der Mappe mit den genannten Eingaben sowie
   persönliche Dokumente wie Reisepass, Sparkassenbuch, Zeugnisse, SVK-Ausweis,
   um nur einige zu nennen.
   
   Des Weiteren wurden von dem im Kleiderschrank vorgefundenen Wohnungsschlüssel
   Abdrücke gefertigt.
   
   Nachdem alle Räume, Schränke und Behältnisse einer eingehenden Kontrolle
   unterzogen waren wurde die Wohnung des "Revisor" nach gründlicher Prüfung,
   dass keine Spuren hinterlassen wurden, unter Absicherung der Sicherungskräfte
   gegen 12.40 Uhr wieder konspirativ verlassen und die Korridortür
   ordnungsgemäß verschlossen.
   
   Die Einsatz- und Sicherungskräfte verließen gegen 12.45 Uhr das Haus. Es
   wurde eingeschätzt, dass das Betreten und Verlassen der Wohnung des "Revisor"
   konspirativ und ohne Vorkommnisse verlief und die gestellt Aufgaben und
   Zielstellungen erreicht wurden.
   
   Mit der konspirativen Durchsuchung der Wohnräume des "Revisor" wurde eine
   wesentliche Etappe der operativen Bearbeitung, in der aussagekräftige,
   inoffizielle Beweise erarbeitet werden konnten, abgeschlossen.
   
   Die umgehend vom Leiter der Hauptabteilung vorgeschlagene Festnahme des
   "Revisor" wurde vom Genossen Minister bestätigt.
   
   Der Vorschlag wurde unter anderem wie folgt begründet:
   
   [Anonymisiert] ist dringend verdächtig, eine Straftat gemäß Paragraf 219,
   Absatz 2, Ziffer 2 Strafgesetzbuch begangen zu haben, indem er Schriften und
   Manuskripte, die geeignet sind, den Interessen der DDR zu schaden, unter
   Umgehung der dafür geltenden Rechtsvorschriften dem in der DDR akkreditierten
   ständigen Korrespondenten des "Stern" Pragal, Peter zum Zwecke der
   Weiterleitung in die BRD zu übergeben beabsichtigt.
   
   Im Vorschlag heißt es weiter:
   
   [Anonymisiert] traf mit dem Korrespondenten die Vereinbarung, am 7.1.1984 im
   Büro des Korrespondenten zusammenzutreffen, und einen Teil der Schriften mit
   feindlichem Inhalt zu übergeben.
   
   In Abstimmung mit dem Leiter der Hauptabteilung IX werden folgende Maßnahmen
   vorgeschlagen:
   
   Konspirative Festnahme von [anonymisiert] am 7.1.1984 auf dem Wege zum Treff
   mit dem Korrespondenten Pragal und gleichzeitige Unterbindung der ?bergabe
   des Materials; im Anschluss an die Festnahme offizielle Wohnungsdurchsuchung
   zur Sicherung von Beweisen Vernehmung durch die Hauptabteilung IX mit dem
   Ziel der Einleitung und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wegen
   Straftaten nach Paragraf 219 Absatz 2, Ziffer 2, Paragraf 106, Absatz 1,
   Ziffer 2 des Strafgesetzbuchs.
   
   Am Morgen des 7.1.1984, dem Tag der Festnahme, wurde mit der Beobachtung am
   Wohnhaus des "Revisor" um 5.48 Uhr begonnen.
   
   Um 6.07 Uhr war durch das rechte Fenster der Wohnung Licht zu sehen.
   
   Um 8.33 Uhr wurde die Beleuchtung ausgeschaltet.
   
   Um 8.38 Uhr verließ "Revisor" das Wohnhaus.
   
   Er ging die Wotanstraße entlang in Richtung Fanninger Straße, am Freyaplatz
   vorbei durch die Siefriedstraße bis zum U-Bahnhof Lichtenberg. Die bei der
   konspirativen Wohnungsdurchsuchung im Schlafzimmerschrank festgestellte
   braune Aktentasche hatte er bei sich.
   
   Nachdem sich "Revisor" durch die Beobachtungskräfte unter Kontrolle befand,
   wurde nochmals eine kurze konspirative Wohnungsdurchsuchung vorgenommen, um
   festzustellen, ob und welches Material er möglicherweise mitgenommen hatte.
   
   Folgende Materialien waren nicht mehr aufzufinden:
   
   Zettel mit den Notizen zum Termin des Treffs mit Pragal, eine Klemmmappe mit
   Gedichten "Allerlei Gereimtes" - Teil 4", Schriftverkehr mit dem Obersten
   Gericht der DDR, Fachbücher, deren Mitautor beziehungsweise Mitherausgeber er
   war.
   
   Die anschließende Festnahme bestätigte die Vermutung, dass er diese
   Unterlagen in der Aktentasche mit sich führte.
   
   Um 9.08 verließ "Revisor" die U-Bahn-Station Stadtmitte, ging durch die
   Mohren- und Charlottenstraße zielstrebig auf das Büro des
   "Stern"-Korrespondenten in der Leipziger Straße 65 zu, welches er um 9.15 Uhr
   erreichte.
   
   Um die Festnahme des "Revisor" möglichst unbeobachtet von Korrespondenten und
   Diplomaten, insbesondere der BRD, und anderen Personen zu realisieren, wurde
   er am direkten Zugang zum Haus gehindert. Das wurde durch Reparaturarbeiten
   an der Haustür, die zwei operative Mitarbeiter ausführten, gewährleistet.
   
   Einer der beiden Mitarbeiter forderte "Revisor" wegen der angeblich nicht zu
   öffnenden Tür auf, mit ihm den Hintereingang des Hauses aufzusuchen und dort
   das Haus zu betreten.
   
   "Revisor" stimmte bereitwillig zu und wurde auf dem Weg dorthin in der
   Charlottenstraße um 9.19 Uhr konspirativ festgenommen.
   
   Der Versuch der Begehung einer Straftat gemäß Paragraph 219, Absatz 2, Ziffer
   2, des Strafgesetzbuchs lag vor und gegen "Revisor" wurde ein
   Ermittlungsverfahren eingeleitet.
   
   Durch das umsichtige und schnelle Reagieren aller am Vorgang beteiligten
   Mitarbeiter konnten die Materialübergabe an den Feind verhindert und somit
   die Interessen der DDR vor Schaden bewahrt werden.
   
   Begriffserklärungen
   
   
   BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
   
   VSH-Kartei (Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskartei)
   
   
   
   Die VSH-Kartei diente in den operativen Diensteinheiten der Such- und
   Vergleichsarbeit zu Personen, der Sicherstellung der Informationsflüsse an
   andere Diensteinheiten sowie der Zusammenführung von Informationen zu
   Personen. Zur Erfassung der Informationen wurden die Karteikarten F 401
   (Vorverdichtungs- und Suchkarte) sowie F 402 (Hinweiskarte) genutzt.
   
   Diese 1974 zunächst im nachgeordneten Bereich (unselbständige operative
   Abteilungen sowie Kreis- und Objektdienststellen) eingeführte Karteiform
   enthielt alle Informationen zu Personen, die aufgrund einer eher geringeren
   Bedeutsamkeit noch nicht in Kerblochkarten aufgenommen worden waren und zu
   denen vorerst keine aktive Erfassung in der Abteilung XII erfolgte.
   
   Aber auch zu Personen, über die bereits Informationen in Kerbloch- oder
   anderen Arbeitskarteien der Diensteinheit vorlagen, wurde eine F 401
   angelegt. Mit Mielkes Dienstanweisung 1/80 wurde die Führung von VSH-Karteien
   für alle operativen Diensteinheiten verbindlich und der Kreis der
   aufzunehmenden Personen erweitert, so dass die VSH-Kartei in der Zeit nach
   1980 an Bedeutung gewann.
   
   
   
   Hauptabteilung IX (Untersuchungsorgan)
   
   
   
   Die Hauptabteilung IX war die für strafrechtliche Ermittlungen und
   Strafverfolgung zuständige Diensteinheit. Sie hatte wie die nachgeordneten
   Abteilung IX in den Bezirksverwaltung (BV) (Linie IX) die Befugnisse eines
   Untersuchungsorgans, d. h. einer kriminalpolizeilichen Ermittlungsbehörde.
   Ursprünglich vor allem für die sog. Staatsverbrechen zuständig, befasste sie
   sich in der Honecker-Ära überwiegend mit Straftaten gegen die staatliche
   Ordnung, vor allem mit Fällen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und Delikten,
   die mit Ausreisebegehren zu tun hatten. Nach StPO der DDR standen auch die
   Ermittlungsverfahren der Linie IX unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft, in
   der Praxis arbeitete das MfS hier jedoch weitgehend eigenständig.
   
   Die Hauptabteilung IX und die Abteilungen IX der BV waren berechtigt,
   Ermittlungsverfahren einzuleiten sowie Festnahmen, Vernehmungen,
   Durchsuchungen, Beschlagnahmen und andere strafprozessuale Handlungen
   vorzunehmen sowie verpflichtet, diese Verfahren nach einer bestimmten Frist -
   meist durch die Übergabe an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung - zum
   Abschluss zu bringen (Untersuchungsvorgang). Daneben führte sie
   Vorermittlungen zur Feststellung von Ursachen und Verantwortlichen bei
   Großhavarien (industriellen Störfällen), Flugblättern widerständigen Inhalts,
   öffentlichen Protesten u. ä. (Vorkommnisuntersuchung, Sachverhaltsprüfung).
   
   Die Hauptabteilung IX gehörte zeit ihres Bestehens zum Anleitungsbereich
   Mielkes, in den ersten Jahren in seiner Funktion als Staatssekretär und 1.
   stellv. Minister, ab 1957 als Minister. Ihre Leiter waren Alfred Karl Scholz
   (1950-1956), Kurt Richter (1956-1964), Walter Heinitz (1964-1973) und Rolf
   Fister (1973-1989).
   
   1953 bestand die Hauptabteilung IX aus drei Abteilungen, die für
   Spionagefälle, Fälle politischer "Untergrundtätigkeit" und die Anleitung der
   Abt. IX der BV zuständig waren. Durch Ausgliederungen entstanden weitere
   Abteilungen, so u. a. für Wirtschaftsdelikte, Militärstraftaten, Delikte von
   MfS-Angehörigen und Fluchtfälle. Ende 1988 bestand die Hauptabteilung IX aus
   zehn Untersuchungsabteilungen sowie der Auswertungs- und Kontrollgruppe (AKG)
   und der AGL (Arbeitsgruppe des Ministers (AGM)) mit insgesamt 489
   Mitarbeitern. Auf der Linie IX arbeiteten 1.225 hauptamtliche Mitarbeiter.
   
   Die Linie IX wirkte eng mit den Abteilung XIV (Haft) und der Linie VIII
   (Beobachtung, Ermittlung), die für die Durchführung der Festnahmen zuständig
   waren, zusammen. Bei der juristischen Beurteilung von Operativen Vorgängen
   (OV) wurde die Hauptabteilung IX von den geheimdienstlich arbeitenden
   Diensteinheiten häufig einbezogen.
   
   
   
   Hauptabteilung II (Spionageabwehr)
   
   
   
   Die Hauptabteilung II wurde 1953 durch Fusion der Abteilungen II (Spionage)
   und IV (Spionageabwehr) gebildet. Sie deckte klassische Bereiche der
   Spionageabwehr ab. Dazu zählte auch die interne Abwehrarbeit im MfS, etwa die
   Überwachung aktiver und ehemaliger MfS-Mitarbeiter, von Einrichtungen der
   KGB-Dienststelle Berlin-Karlshorst sowie von Objekten der sowjetischen
   Streitkräfte und der Sektion Kriminalistik an der Ostberliner
   Humboldt-Universität. Darüber hinaus betrieb die Hauptabteilung II im Rahmen
   der "offensiven Spionageabwehr" aktive Spionage in der Bundesrepublik; diese
   zielte auf westliche Geheimdienste, auf Bundeswehr, Polizei, Massenmedien,
   Emigrantenverbände u. a.
   
   Die Hauptabteilung II überwachte, sicherte und kontrollierte die
   DDR-Botschaften im Ausland, die ausländischen diplomatischen Vertretungen in
   der DDR sowie das Außenministerium der DDR. DDR-Bürger, die westliche
   Botschaften bzw. die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin
   aufsuchten, wurden systematisch erfasst. In den Zuständigkeitsbereich der
   Hauptabteilung II fielen auch die Überwachung der in der DDR lebenden
   Ausländer sowie die Betreuung von Funktionären und Mitgliedern illegaler,
   verfolgter kommunistischer Parteien, die in der DDR Aufnahme fanden.
   
   Besondere Brisanz beinhaltete die politisch-operative Sicherung der
   Westkontakte von SED und FDGB. So kümmerte sich die Hauptabteilung II um die
   Militärorganisation der DKP ("Gruppe Ralf Forster", eine ca. 220 Bundesbürger
   umfassende Sabotage- und Bürgerkriegstruppe), organisierte in Absprache mit
   der NVA deren militärische Ausbildung, finanzierte die Gruppe und stattete
   sie mit Falschpapieren aus.
   
   Die Hauptabteilung II sicherte (bis 1961 und wieder ab 1980; zwischenzeitlich
   gab es hierfür die Abteilung BdL II) die Abteilung Verkehr des ZK der SED ab,
   die kommunistische Organisationen im Westen unterstützte und dort
   SED-Tarnfirmen betrieb. Die Hauptabteilung II versuchte, Aktivitäten
   bundesdeutscher Behörden gegen DKP, SEW und SED-Tarnfirmen festzustellen und
   zu verhindern.
   
   Im Ergebnis der Entspannungspolitik nahmen Begegnungen zwischen Ost- und
   Westdeutschen zu, westliche Medienvertreter konnten sich in der DDR
   akkreditieren. Das veranlasste den beträchtlichen personellen Ausbau der
   Hauptabteilung II. Sie war nun auch zuständig für die Überwachung westlicher
   Journalisten in der DDR. Ziel war es, unerwünschten Informationsabfluss und
   unbequeme, kritische Berichterstattung zu verhindern. 1987 übertrug Erich
   Mielke in der Dienstanweisung 1/87 der Hauptabteilung II die Führung der
   Spionageabwehr, um ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener
   Diensteinheiten zu vermeiden.
   
   Die Hauptabteilung II leitete von Beginn an die Operativgruppen des MfS in
   der Sowjetunion und Polen, seit 1989 auch in der ČSSR, Ungarn und Bulgarien.
   Mit den entsprechenden Spionageabwehr-Abteilungen in diesen Ländern gab es
   eine ausgeprägte bi- und multilaterale Zusammenarbeit, die aber erst in den
   frühen 80er Jahren vertraglich fixiert wurde (kommunistischer Geheimdienst).
   Im Dezember 1981 übernahm die Hauptabteilung II innerhalb des MfS die
   Federführung bei der Bekämpfung der unabhängigen polnischen Gewerkschaft
   "Solidarność". Schließlich unterstützte die Hauptabteilung II
   Sicherheitsorgane in (pro)sozialistischen Entwicklungsländern, entsandte
   Berater und bildete deren Geheimdienstmitarbeiter in der DDR aus.
   
   Die Hauptabteilung II verfügte über eigene Abteilungen für Fahndung,
   Logistik, operative Technik und Beobachtung und war in dieser Hinsicht nicht
   auf andere Abteilungen angewiesen. Zum unmittelbaren Anleitungsbereich des
   Leiters der Hauptabteilung II gehörte die Abteilung M (Postkontrolle).
   
   1989 zählte die Hauptabteilung II in der Ostberliner Zentrale 1.432
   hauptamtliche Mitarbeiter, in den Bezirksverwaltungen (BV) auf der Linie II
   weitere 934. Hinzu kamen Mitarbeiter in den Kreisdienststellen (KD), die die
   Aufgaben der Linie II ausführten. Genaue Zahlen der Inoffiziellen Mitarbeiter
   (IM) ließen sich bis heute nicht ermitteln. Die Hauptabteilung II hatte
   mindestens 3.000 IM, die Abt. II der BV etwa 4.000; hinzu kamen weitere IM
   der KD. 1976 führte die Hauptabteilung II im Westen 109 IM. Unter den West-IM
   befanden sich z. T. hochkarätige Agenten. 
   
   
   
   Kontaktperson (KP)
   
   
   
   "Kontaktperson" ist ein unscharfer Begriff, der Personen bezeichnete, mit
   denen das MfS Kontakte unterschiedlicher Natur hatte. Insbesondere in den
   50er Jahren waren Kontaktpersonen oftmals regelrechte Informanten, bei denen
   allerdings keinerlei formelle Erfassung und Registrierung als inoffizieller
   Mitarbeiter vorlag. In der IM-Richtlinie von 1958 sind Kontaktpersonen als
   "vertrauenswürdige Bürger" definiert, die "zur Lösung bestimmter Aufgaben
   angesprochen werden". In den MfS-Unterlagen der Honecker-Ära werden
   Funktionsträger, mit denen das MfS offizielle Beziehungen pflegte, häufig als
   Kontaktperson bezeichnet.
   
   Eine besondere Form von Kontaktperson gab es bei der Abteilung XIV, die seit
   1967 Strafgefangene "mit inoffiziellen Aufgaben als Kontaktpersonen" oder
   auch als "inoffizielle Kontaktpersonen" (iKP) bezeichnete. Eine andere
   Bedeutung hatte der Begriff bei der HV A. Laut IM-Richtlinie von 1979
   handelte es sich hierbei um "Bürger aus dem Operationsgebiet", "die über
   Zugang zu operativ bedeutsamen Informationen bzw. über Möglichkeiten zur
   politischen Einflussnahme verfügen" und zu denen "eine stabile Verbindung
   unterhalten wird", ohne dass diese über "den nachrichtendienstlichen
   Charakter" der Kontakte im Bilde waren.
   
   
   
   Abteilung
   
   Eine selbständige Abteilung ist eine Organisationsstruktur in der
   MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen seiner Stellvertreter direkt
   angeleitet und durch militärische Einzelleiter geführt wurde. Die weiter
   untergliederten Abteilungen prägten Linien aus (z. B. Abt. XIV;
   Linienprinzip) oder blieben auf die Zentrale beschränkt (z. B. Abt. X). Die
   eng umrissenen Zuständigkeiten mit operativer Verantwortung und Federführung
   orientierten sich an geheimdienstlichen Praktiken (Telefonüberwachung) oder
   Arbeitsfeldern (Bewaffnung, chemischer Dienst).
   
   Abteilung XII (Zentrale Auskunft, Speicher)
   
   
   
   Abteilung zur Speicherung und Verwaltung von Informationen zu Personen und
   formgerecht geführten Vorgängen (Registratur und Archivaufgaben). 1950 als
   Abteilung Erfassung und Statistik gebildet, wurde sie 1951 in Abt. XII
   umbenannt und gehörte zu den auf der Linie des Ministers tätigen
   Diensteinheiten.
   
   Abteilungen XII existierten in der Zentrale und dem Linienprinzip
   entsprechend in den BV. Die Kreisdienststellen (KD) archivierten ihre Ablagen
   nicht selbständig. Die HV A und die HA I besaßen jeweils eigene
   Registraturabteilungen, die karteimäßig mit der Zentrale verbunden waren. Die
   Abt. XII bestand aus den Bereichen Kartei und Archiv mit folgenden
   Hauptaufgaben: Kartei- bzw. Speicherführung und -änderung (Erfassung von
   Personen und Objekten; Registrierung von Vorgängen und archivierten Akten;
   Änderung von Personen- und / oder Erfassungsdaten), Archivierung, Überprüfung
   und Auskunftserteilung.
   
   Die Grunddaten zu erfassten Personen und registrierten Vorgängen wurden in
   Karteien gespeichert. So war es möglich, jede Person zu überprüfen, zu
   identifizieren und ihr Verhältnis zum MfS festzustellen. Anfangs existierten
   für die Erfassung von Personen nur drei Kategorien: 1. "feindliche" Personen;
   2. geheime Mitarbeiter (GM, GI, KW); 3. durch das MfS verhaftete Personen.
   
   In den letzten 20 Jahren des MfS gab es im Bereich Kartei folgende wichtige
   Speicher: Personenkartei (F 16), Vorgangskartei (F 22, F 22 a),
   Feindobjektkartei (F 17), Decknamenkartei (F 77), Straßenkartei (F 78),
   Objektkartei für Konspirative Wohnungen und andere Objekte (F 80),
   IM-Vorauswahlkartei (IM-VAK). Außerdem gab es Neben- und Hilfskarteien.
   Allein in der Zentrale umfassten 1989 die 12 Hauptkarteien mehr als 18 Mio.
   Karteikarten.
   
   Die Arbeiten in den Speichern und im Archiv erfolgten ausschließlich auf
   Anforderung der operativen Diensteinheiten. Diese konnten veranlassen, dass
   eine Person überprüft, erfasst bzw. ein Vorgang registriert (Registrierung)
   wurde. Um Mehrfachbearbeitungen zu vermeiden, durfte eine Person nur in einem
   registrierten Vorgang aktiv erfasst werden (Erfassung, aktive), umgekehrt
   konnten in einem Vorgang aber mehrere Personen registriert werden. Bei
   IM-Vorgängen wurde nur eine Person registriert, allerdings nicht bei der
   Hauptverwaltung A (HV A), wo neben dem IM auch Angehörige und mit dem IM in
   Verbindung stehende Personen im selben IM-Vorgang registriert werden konnten
   (Rosenholz).
   
   Hauptaufgaben des Bereichs Archiv der Zentrale waren v. a.: Archivierung
   politisch- operativen Schriftgutes der Zentrale und speziellen Schriftgutes
   der BV; Archivierung von Schriftgut anderer staatlicher Institutionen;
   Erarbeitung und Speicherung von schriftlichen Auskünften; Ausleihe und
   Nachweisführung über Bewegung von Archivgut, Zuheftung, Kassation und
   Restaurierung.
   
   Die Bestände teilten sich in die Operative Hauptablage, die Allgemeine
   Sachablage, den Bestand Kader und Schulung, den Bestand an Akten der
   Staatsanwaltschaft sowie diverse Sonderbestände und Teilablagen, darunter die
   Geheime Ablage sowie Akten der Verwaltung Aufklärung des Ministeriums für
   Nationale Verteidigung und Unterlagen aus der Zeit vor 1945, die aber bereits
   in den 60er Jahren in das gesonderte Archiv der HA IX/11 abgegeben wurden.
   
   Zuletzt gab es Kategorien für ca. 30 verschiedene Erfassungsarten, die
   sämtlich separat geführt wurden, darunter: Untersuchungsvorgang, Operativer
   Vorgang, Operative Personenkontrolle, inoffizieller Mitarbeiter,
   Zelleninformator, Feindobjekt. Analog zur Registriernummer bei aktiven
   Vorgängen wurde für jede abzulegende Akte eine eigene Archivnummer vergeben.
   
   Seit Beginn der 70er Jahre setzte das MfS zunehmend auf EDV, was in der
   Abteilung XII die Erfassung der zentralen Personenkartei F 16 in der
   elektronischen Datenbank System der automatischen Vorauswahl (SAVO) zur Folge
   hatte. Ab 1981 begann auch die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe
   (ZAIG) mittels der Zentralen Personendatenbank (ZPDB) Einzelinformationen zu
   Personen und Sachverhalten elektronisch zu speichern. Trotzdem behielten
   manuell geführte Karteien und schriftliches Archiv bis zuletzt ihre
   grundlegende Bedeutung.
   
   
   
   Beobachtungsvorgang
   
   
   
   Vorgangsart von 1953 bis 1960. In Beobachtungsvorgängen wurden Personen
   erfasst, die als potenziell oder tatsächlich politisch unzuverlässig oder
   feindlich eingestellt galten und daher vorbeugend beobachtet wurden. Dazu
   gehörten etwa ehemalige NS-Funktionsträger, ehemalige Sozialdemokraten,
   Teilnehmer an den Aktionen des 17. Juni 1953 sowie Personen, die aus dem
   Westen zugezogen waren. Die Vorgangsart verlor nach und nach an Bedeutung.
   1960 gingen noch bestehende Beobachtungsvorgänge in den zugehörigen
   Objektvorgängen auf. Der Beobachtungsvorgang war zentral in der Abteilung XII
   zu registrieren, die betroffenen Personen in der zentralen Personenkartei F
   16 zu erfassen.
   
   
   
   Bezirksverwaltung (BV, BVfS)
   
   
   
   Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform der DDR vom Sommer 1952 wurden die
   fünf Länderverwaltungen für Staatssicherheit (LVfS) in 14 Bezirksverwaltungen
   umgebildet. Daneben bestanden die Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin
   und die Objektverwaltung "W" (Wismut) mit den Befugnissen einer BV. Letztere
   wurde 1982 als zusätzlicher Stellvertreterbereich "W" in die Struktur der BV
   Karl-Marx-Stadt eingegliedert.
   
   Der Apparat der Zentrale des MfS Berlin und der der BV waren analog
   strukturiert und nach dem Linienprinzip organisiert. So waren die
   Hauptabteilung II in der Zentrale bzw. die Abteilungen II der BV für die
   Schwerpunkte der Spionageabwehr zuständig usw. Auf der Linie der
   Hauptverwaltung A waren die Abteilung XV der BV aktiv. Einige Zuständigkeiten
   behielt sich die Zentrale vor: so die Militärabwehr (Hauptabteilung I) und
   die internationalen Verbindungen (Abteilung X) oder die Arbeit des Büros für
   Besuchs- und Reiseangelegenheiten in Westberlin (Abteilung XVII). Für einige
   Aufgabenstellungen wurde die Bildung bezirklicher Struktureinheiten für
   unnötig erachtet. So gab es in den 60er und 70er Jahren für die Abteilung XXI
   und das Büro der Leitung II Referenten für Koordinierung (RfK) bzw. Offiziere
   BdL II. Für spezifische Aufgaben gab es territorial bedingte Diensteinheiten
   bei einigen BV, z. B. in Leipzig ein selbständiges Referat (sR) Messe, in
   Rostock die Abt. Hafen.
   
   An der Spitze der BV standen der Leiter (Chef) und zwei Stellv. Operativ. Der
   Stellv. für Aufklärung fungierte zugleich als Leiter der Abt. XV. Die
   Schaffung des Stellvertreterbereichs Operative Technik im MfS Berlin im Jahre
   1986 führte in den BV zur Bildung von Stellv. für Operative
   Technik/Sicherstellung.
   
   
   
   Durchsuchung
   
   
   
   Die Durchsuchung von Wohnungen, Räumen oder Personen war eine
   strafprozessuale Maßnahme im Ermittlungsverfahren zum Zwecke der Festnahme
   oder Verhaftung Verdächtiger bzw. zum Auffinden von Beweismaterial (§§
   108–119 StPO/1968). Eine Durchsuchung musste vom Staatsanwalt bzw. konnte bei
   Gefahr im Verzuge auch von den Untersuchungsorganen angeordnet werden und
   bedurfte einer richterlichen Bestätigung binnen 48 Stunden (§ 121 StPO/1968).
   Die Durchsuchung oblag eigentlich den Untersuchungsorganen, formal im MfS
   also der Linie IX (Hauptabteilung IX). Tatsächlich wurden sie aber regulär
   von Mitarbeitern der Linie VIII (Hauptabteilung VIII) durchgeführt.
   
   Die Durchsuchung Verhafteter und vorläufig Festgenommener konnte ohne
   staatsanwaltliche Anordnung durchgeführt werden und bedurfte keiner
   richterlichen Bestätigung (§ 109 StPO/1968); sie wurde im MfS von den –
   formal nicht zuständigen – Mitarbeitern der Linie XIV (Abteilung XIV)
   durchgeführt. Außerhalb des Ermittlungsverfahrens war die Durchsuchung von
   Personen und Sachen durch Polizei und MfS polizeirechtlich geregelt (§ 13
   VP-Gesetz). Vom MfS wurden die Möglichkeiten der Durchsuchung und
   Beschlagnahme auch außerhalb des jeweiligen strafprozessualen
   Ermittlungsverfahrens für geheimdienstliche Zwecke genutzt. Jenseits
   jeglicher rechtlicher Regelungen führten operative Diensteinheiten des MfS,
   vor allem die Linie VIII (Hauptabteilung VIII), auch konspirative
   Wohnungsdurchsuchungen durch.
   
   
   
   Hauptabteilung (HA)
   
   
   
   Organisationsstruktur in der MfS-Zentrale, die durch den Minister oder einen
   seiner Stellvertreter direkt angeleitet wurde. Die zuletzt 13
   Hauptabteilungen wurden durch Einzelleiter geführt. Die weiter
   untergliederten und nach dem Linienprinzip tätigen HA waren für komplexe,
   abgegrenzte Bereiche operativ zuständig und federführend verantwortlich. Der
   Zuschnitt der Zuständigkeitsbereiche war an Ressorts oder geheimdienstlichen
   Praktiken (z. B. Verkehrswesen, Beobachtung, Funkspionage) orientiert.
   
   
   
   Inoffizieller Mitarbeiter (IM)
   
   
   
   Inoffizielle Mitarbeiter (IM) waren das wichtigste Instrument des
   Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), um primär Informationen über Bürger,
   die Gesellschaft, ihre Institutionen und Organisationen der DDR oder im
   Ausland zu gewinnen. Unter Umständen hatten IM auf Personen oder Ereignisse
   in der DDR steuernden Einfluss zu nehmen.
   
   In der DDR-Gesellschaft hießen sie "Spitzel", "Denunzianten" oder
   "Kundschafter". Mit der deutschen Einheit hat sich die Bezeichnung
   Inoffizieller Mitarbeiter des MfS für die heimlichen Zuträger etabliert. Sie
   lieferten u. a. Informationen über Stimmungen und Meinungen in der
   Bevölkerung.
   
   Die SED-Führung wollte stets über die konkrete Situation und Lage in der DDR
   unterrichtet sein. Die IM hatten den Auftrag, "staatsgefährdende"
   Bestrebungen zu ermitteln, was beim MfS "politisch ideologische Diversion"
   bzw. "politische Untergrundtätigkeit" hieß. Der Bogen hierfür war weit
   gespannt und reichte von einer privaten Meinungsäußerung bis hin zu
   politischen Aktivitäten. Überdies sollten sie, wenn auch selten, direkt auf
   gesellschaftliche Entwicklungen oder einzelne Personen einwirken.
   
   Die IM waren das wichtigste Repressionsinstrument in der DDR. IM wurden auf
   bestimmte Schwerpunkte angesetzt, von denen tatsächliche oder vermeintliche
   Gefahren ausgehen konnten. Diese Objekte und Territorien, Bereiche oder
   Personen waren so zahlreich, dass die geheimpolizeiliche Durchdringung
   tendenziell den Charakter einer flächendeckenden Überwachung annahm.
   
   Die Anzahl der vom MfS geführten inoffiziellen Mitarbeiter umfasste im Jahre
   1989 ungefähr 189.000 IM, darunter 173.000 IM der Abwehrdiensteinheiten,
   ferner 13.400 IM in der DDR und 1.550 IM in der Bundesrepublik, die von der
   Hauptverwaltung A geführt wurden, sowie diverse andere wie Zelleninformatoren
   usw. Auf 89 DDR-Bürger kam somit ein IM. In der Zeit von 1950 bis 1989 gab es
   insgesamt ca. 620.000 IM.
   
   Die Entwicklung des IM-Netzes ist nicht allein von einem kontinuierlichen
   Anstieg geprägt, sondern verweist auf besondere Wachstumsphasen in Zeiten
   innergesellschaftlicher Krisen wie dem 17. Juni 1953 oder am Vorabend des
   Mauerbaus. Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik wurde das
   IM-Netz ebenfalls erweitert. So umfasste es Mitte der 70er Jahre –
   hochgerechnet – über 200.000 IM. Angesichts wachsender oppositioneller
   Bewegungen hatte es in den 80er Jahren gleichfalls ein hohes Niveau.
   
   Die flächendeckende Überwachung der Gesellschaft fiel regional recht
   unterschiedlich aus. Im Land Brandenburg, das die Bezirke Cottbus, Frankfurt
   (Oder) und Potsdam vereint, war sie stärker als in Thüringen. Die höchste
   IM-Dichte wies der ehemalige Bezirk Cottbus auf.
   
   Das MfS operierte formal nach territorialen Gesichtspunkten und
   Sicherungsbereichen, setzte jedoch operative Schwerpunkte in der
   geheimpolizeilichen Arbeit. Bezogen auf das Gesamtministerium lagen diese –
   sowohl auf Kreis-, als auch auf Bezirks- und Hauptabteilungsebene – bei der
   Volkswirtschaft, der Spionageabwehr und auf der "politischen
   Untergrundtätigkeit", der "Bearbeitung " von oppositionellen Milieus und den
   Kirchen.
   
   Die Motive zur Kooperation mit dem MfS waren überwiegend ideeller, seltener
   materieller Natur, noch seltener war Erpressung der Grund. Die Kooperation
   währte durchschnittlich sechs bis zehn Jahre oder länger. Augenfällig ist,
   dass darunter nicht wenige soziale Aufsteiger waren. Der Anteil von
   weiblichen IM lag in der DDR bei 17 Prozent, in der Bundesrepublik bei 28
   Prozent. Über die Hälfte der IM war Mitglied der SED. Von den 2,3 Mio.
   Mitgliedern der Partei ausgehend, waren 4 bis 5 Prozent zuletzt inoffiziell
   aktiv, d. h. jedes zwanzigste SED-Mitglied.
   
   Das MfS differenzierte IM nach Kategorien: Gesellschaftliche Mitarbeiter für
   Sicherheit, IM zur Sicherung und Durchdringung des Verantwortungsbereichs, IM
   im besonderen Einsatz, Führungs-IM und IM zur Sicherung der Konspiration und
   des Verbindungswesens. Die wichtigste Kategorie waren IM mit
   "Feindverbindungen" bzw. solche, die Personen zu "bearbeiten" hatten, die "im
   Verdacht der Feindtätigkeit" standen. Im Laufe der 80er Jahre nahm der Anteil
   von IM in der Kategorie IMB bis Dezember 1988 auf rund 3.900 zu.
   
   Der Anteil von Bundesbürgern oder Ausländern unter den IM des MfS betrug
   nicht einmal 2 Prozent. 1989 waren mindestens 3.000 Bundesbürger inoffiziell
   im Dienste des MfS, zusätzlich mehrere Hundert Ausländer. In der Zeit von
   1949 bis 1989 waren insgesamt mindestens 12.000 Bundesbürger und Westberliner
   IM.
   
   Die operativen Ziele des MfS waren über die gesamte Bundesrepublik
   Deutschland verteilt. Darüber hinaus gab es Schwerpunkte in Europa, im Nahen
   Osten und Asien, nachgeordnet auch in Afrika und Lateinamerika.
   Nachrichtendienstliche Schwerpunkte waren vor allem die Wissenschafts- und
   Technikspionage, erst danach die politische und mit etwas Abstand die
   Militärspionage. Die Bundesrepublik Deutschland wurde folglich vor allem als
   Ressource zur Systemstabilisierung genutzt.
   
   Die politische Spionage diente vornehmlich dazu, die politische
   Gefährdungslage des herrschenden Systems in der DDR bestimmen zu können.
   Dieses Profil deutet an, dass die Spionage der Bewahrung des Status quo
   dienen sollte. Von einer Unterwanderung der Bundesrepublik war die
   Geheimpolizei zahlenmäßig weit entfernt. Vielmehr waren ihre inoffiziellen
   Mitarbeiter damit beschäftigt, das DDR-System zu stabilisieren.
   
   LITERATUR
   
    * Müller-Enbergs, Helmut: Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für
      Staatssicherheit. Teil 1: Richtlinien und Durchführungsbestimmungen.
      Berlin 2010
    * Müller-Enbergs, Helmut: Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für
      Staatssicherheit. Teil 2: Anleitungen für die Arbeit mit Agenten,
      Kundschaftern und Spionen in der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 1998
    * Müller-Enbergs, Helmut: Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für
      Staatssicherheit. Teil 3: Statistiken. Berlin 2008.
   
   
   
   Konspiration
   
   
   
   Konspiration war das Grundprinzip der nachrichtendienstlichen und
   geheimpolizeilichen Arbeit des MfS, das den Einsatz von inoffiziellen Kräften
   und anderen verdeckten Mitteln und Methoden sowie die weitgehende
   Geheimhaltung der eigenen Tätigkeit auch gegenüber anderen DDR-Organen und
   dem SED-Parteiapparat beinhaltet. Eine besondere Rolle spielt die
   Konspiration bei den Verhaltensregeln für IM, GMS, HIM, OibE und
   Führungsoffiziere, welche über die inoffiziellen Beziehungen zum MfS zu
   schweigen bzw. inoffizielle Handlungen für das MfS geheimzuhalten, zu tarnen
   oder zu verschleiern hatten.
   
   
   
   Operative Bearbeitung
   
   
   
   Verharmlosende Bezeichnung aller Aktivitäten und Maßnahmen der
   "politisch-operativen Arbeit", also der geheimdienstlich-geheimpolizeilichen
   Tätigkeit in Bezug auf Personen oder zur Klärung von Sachverhalten, wenn aus
   Sicht des MfS Hinweise auf "feindlich-negative Handlungen" vorlagen. Die
   "Bearbeitung" konnte u. a. die Durchführung einer Operativen
   Personenkontrolle umfassen oder einen Operativen Vorgang betreffen.
   
   
   
   Operative Legende
   
   
   
   Inszenierte fiktive Sachverhalte und Vorwände, die bei bestimmten Personen
   gewünschte Verhaltensweisen auslösen und/oder das MfS in die Lage versetzen
   sollten, an bestimmte Informationen zu gelangen, wobei der
   nachrichtendienstliche Hintergrund der Vorgänge unerkannt bleiben sollte. Die
   Legende sollte glaubwürdig sein und auf realen, überprüfbaren Gegebenheiten
   beruhen. Je nach operativer Zielsetzung gab es die Reise-, Ermittlungs-,
   Gesprächs-, Kontakt-, Ausweich- und Rückzugslegenden.
   
   
   
   Verhaftung
   
   Beginn einer freiheitsentziehenden Maßnahme, Ergreifung eines Beschuldigten
   oder Angeklagten aufgrund eines richterlichen Haftbefehls (§ 114 StPO/1949, §
   142 StPO/1952, §§ 6 Abs. 3, 124 StPO/1968). Zu unterscheiden von der
   vorläufigen Festnahme und der Zuführung.
   
   Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskartei
   
   
   
   Abkürzungen
   
   
   ABKÜRZUNGEN
   
   ARD Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der
   Bundesrepublik Deutschland BV Bezirksverwaltung BRD Bundesrepublik
   Deutschland DDR Deutsche Demokratische Republik HA Hauptabteilung IMB
   Inoffizieller Mitarbeiter mit Feindverbindung IM Inoffizieller Mitarbeiter KK
   Kerblochkarte MfS Ministerium für Staatssicherheit (MfS) SED Sozialistische
   Einheitspartei Deutschlands SVK Sozialversicherungskasse Stasi
   Staatssicherheit VVB Vereinigung volkseigener Betriebe Vi Video VEB
   Volkseigener Betrieb VSH Vorverdichtungs-, Such- und Hinweiskartei II römisch
   zwei XII römisch zwölf Inhaltsverzeichnis
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 * Bericht über eine konspirative Wohnungsdurchsuchung zum Vorgang "Revisor"
   Dokument, 5 Seiten

 * Auszug aus dem Besucherbuch des konspirativen "Objektes 74" Dokument, 2
   Seiten

 * Arbeitsmaterial für die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von
   konspirativen Durchsuchungen Dokument, 73 Seiten

 * Bildbericht der Wohnungsdurchsuchung bei Werner Teske Dokument, 42 Seiten

SCHLAGWORTE

Ministerium für Staatssicherheit Verbindungsaufnahme Verfolgung Inhaftierung