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 * 10/2021
 * IT-Sicherheit: BSI warnt vor "Alarmstufe Rot"


IT-SICHERHEIT: BSI WARNT VOR "ALARMSTUFE ROT"

Die Gesellschaft müsse angesichts anhaltender Bedrohungen etwa durch Ransomware
und IT-Schwachstellen "wachsam und wehrhaft sein", fordert das BSI.

Lesezeit: 7 Min.
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(Bild: Titima Ongkantong/Shutterstock.com)


21.10.2021 10:49 Uhr
Von
 * Stefan Krempl

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Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der
Informationstechnik (BSI), hat die Lage der IT-Sicherheit in Deutschland 2021
anhand einer Vielzahl von Sicherheitsvorfällen als "besorgniserregend"
bezeichnet. Beunruhigend seien vor allem "die rasante Entwicklung neuer und
angepasster Angriffsmethoden, die massenhafte Ausnutzung schwerwiegender
Software-Schwachstellen und die teilweise gravierenden Folgen, die erfolgreiche
Cyber-Angriffe auslösen".




LÜCKEN ERMÖGLICHEN NEUE ANGRIFFSMETHODEN

Zwar sei mit der Zerschlagung des Emotet-Netzwerkes der "König der
Schadsoftware" zunächst von der Bildfläche verschwunden, schreibt Schönbohm im
Vorwort für den am Donnerstag veröffentlichten Lagebericht der Behörde für die
Zeit zwischen dem 1. Juni 2020 und dem 31. Mai 2021. Doch es gebe längst neue
Angriffsmittel und -methoden. Sicherheitslücken in IT-Produkten ermöglichten
diese überhaupt erst. Dies sei gravierend, "wenn Produkte mit großer Verbreitung
und hoher Marktdurchdringung betroffen sind".

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Solche Schwachstellen bezeichnet Schönbohm als "Ausdruck einer mangelhaften
Produktqualität". Die Hersteller sollten daher in ihrem eigenen Interesse daran
mitarbeiten, diese Mängel schnellstmöglich und konsequent zu beheben. Aber es
müsse auch den Anwendern bewusst sein, "dass sie ihre Netzwerke und Systeme
jeden Tag aktiv schützen müssen". Wer dies nicht tue, gehe enorme Risiken wie
Produktionsausfälle oder das Aus für die Notfallversorgung von Krankenhäusern
ein.

Die Gefährdungslage im Cyberraum sei in der Berichtsperiode "angespannt bis
kritisch" gewesen, heißt es in dem Dokument. Zumindest in Teilbereichen bestehe
"Alarmstufe rot", warnte Schönbohm bei der Präsentation der Ergebnisse in
Berlin. Schwachstellen in Hard- und Software "sind und bleiben" laut dem Report
"eine der größten Herausforderungen der Informationssicherheit". Eine große
Verwundbarkeit im Exchange-Server habe etwa im März für Aufsehen gesorgt:
"Microsoft schloss mit einem Sicherheitsupdate vier kritische Sicherheitslücken,
die in Kombination bereits für gezielte Angriffe ausgenutzt worden waren". Das
BSI stufte die Situation als "extrem kritisch" ein. Dies ist die zweithöchste
der möglichen Krisenstufen.


BEI EXCHANGE-ATTACKEN ANFANGS FAST ALLE SYSTEME VERWUNDBAR

Von den hierzulande geprüften Systemen erwiesen sich laut der Behörde zunächst
98 Prozent als verwundbar. Nach umfangreichen Warnungen habe sich dieser Anteil
innerhalb einer Woche halbiert und nach weiteren zwei Wochen auf unter zehn
Prozent gesenkt werden können. Im Mai seien aber immer noch neun Prozent der
inspizierten Server hierzulande verwundbar gewesen. Laut der neuen
Cybersicherheitsstrategie des Bundes sollen Sicherheitsbehörden Schwachstellen
etwa für Staatstrojaner aber auch selbst ausnutzen dürfen.

Ransomware sieht das BSI weiter als "größte Bedrohung": Neben den bekannten
Lösegelderpressungen forderten die Täter auch immer öfter Schweigegeld unter
Androhung der Enthüllung kompromittierender Informationen ("Double Extortion")
sowie Schutzgelder gegen DDoS-Attacken. Die Zahl der monatlich aktiven
Daten-Leak-Seiten, auf denen gestohlene Daten angeboten werden, habe im vorigen
Jahr um fast 360 Prozent zugenommen. Angreifer setzten inzwischen zudem
Strategien ein, die bisher nur bei meist staatlich durchgeführten "Advanced
Persistent Threats" (APT) bekannt gewesen seien. Ransomware-Angriffe auf
Einrichtungen des Gesundheitswesens könnten die medizinische Versorgung und
damit Leib und Leben der Patienten bedrohen.

Lesen Sie auch


ERPRESSUNGSTROJANER: MIT RANSOMWARE IN DEN USA 590 MILLIONEN US-DOLLAR UMGESETZT

Mit rund 144 Millionen neu registrierten Schadprogramm-Varianten meldet die
Behörde zugleich einen traurigen Rekord innerhalb eines Jahres. Das sind 22
Prozent mehr als im Vorjahr. Täglich wurden durchschnittlich 394.000 neue
Schadprogrammvarianten entdeckt (2020: 322.000), im Spitzenwert im Februar sogar
553.000. Das ist das höchste jemals gemessene durchschnittliche Tagesplus.


ZEHNTAUSENDE MAILS MIT SCHADSOFTWARE IM REGIERUNGSNETZ

Das Wachstum des Tagesindikators führt das BSI insbesondere auf eine deutlich
gestiegene Tätigkeit der Kriminellen in der Kategorie "Windows-Schadprogramme"
zurück. In den Wintermonaten seien regelmäßig neue Spitzenwerte in dieser
Kategorie gemessen worden. Mit EvilQuest sei 2020 zudem erstmals eine Malware in
nennenswerter Häufigkeit aufgetreten, die sich gegen Apples Betriebssystem MacOS
richtet. Angreifer hatten die neuen Varianten massenhaft in illegalen
Software-Kopien versteckt.

Rund 44.000 E-Mails mit Schadprogrammen fing das Amt in deutschen
Regierungsnetzen pro Monat ab, bevor sie die Postfächer der Empfänger
erreichten. 74.000 Webseiten wurden wegen enthaltener Malware durch die
Webfilter der Regierungsnetze gesperrt. Das BSI übermittelte zudem rund 14,8
Millionen Meldungen zu Infektionen mit Trojanern, Viren & Co. an deutsche
Netzbetreiber.

Der Trend, die Corona-Pandemie als Aufhänger für Phishing- und andere
Social-Engineering-Angriffe auszunutzen, setze sich fort, ist dem Bericht zu
entnehmen. Durch den stark ansteigenden Einsatz von Videokonferenzsystemen und
Lernplattformen seien diese zu Ziele für Angreifer geworden.


SCHWACHSTELLEN IN CORONA-TESTZENTREN

Parallel seien etwa in Corona-Testzentren "wiederholt gravierende Schwachstellen
in Webanwendungen gefunden" worden, moniert das Amt: Sensible Daten wie
Testergebnisse und Anschriften seien übers Netz missbräuchlich einsehbar
gewesen. Besondere Bedeutung komme Attacken auf essenzielle Einrichtungen wie
die Europäische Arzneimittelagentur oder Hersteller von Impfstoffen zu. Das
Grundproblem bleibe dabei: "Aus der Not geborene Digitalisierungsprojekte
vernachlässigen die Informationssicherheit und gefährden damit ganze
Unternehmensnetzwerke."

Als Gegenbeispiel führte Schönbohm die Corona-Warn-App des Bundes an. Diese sei
ein europäisches Erfolgsmodell, nicht zuletzt, weil das BSI sein ganzes
Fachwissen etwa bei Bluetooth, Open Source und Front- sowie Backend-Gestaltung
eingebracht habe. Die Anwendung sei ein Beitrag dazu, nachhaltig und sicher zu
digitalisieren.

Auch auf mehrere Angriffe von APT-Gruppen auf Behörden, Sicherheitsfirmen und
zunehmend Denkfabriken, zivilgesellschaftliche Organisationen sowie in
Deutschland lebende ausländische Regierungskritiker weist der Bericht hin. Die
Autoren ziehen das Fazit: Die Gesellschaft müsse "weiter wachsam und wehrhaft
sein", da sonst das Ziel einer erfolgreichen Digitalisierung in Gefahr gerate.
80 Jahre, nachdem Konrad Zuse mit der Z3 den ersten funktionsfähigen Computer
der Welt in Betrieb genommen habe, "muss die Digitalisierung neu gedacht
werden!" IT-Sicherheit sollte dabei als Basis einen deutlich höheren Stellenwert
einnehmen.


BITKOM FORDERT SEKUNDENGENAUE INFORMATIONEN

Die Gefährdungslage in diesem Feld sei "hoch" und werde sich eher noch
zuspitzen, erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Cyberangriffe
würden immer ausgefeilter und beträfen Bereiche, "die für unsere Gesellschaft
elementar" seien wie etwa die Strom- oder Gesundheitsversorgung. Seehofer
stellte fest: "Wir alle können von den Sicherheitslücken Schaden davontragen."
Mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 steuere die Bundesregierung gegen und habe so
etwa das BSI mit mehr Befugnissen aufgerüstet. Es sei vor allem nötig, das
Cyberstrafrecht weiter aufzurüsten, was sicher auch die neue Exekutive angehen
werde.

Der IT-Verband Bitkom forderte, "dass sich jeder Mensch und jedes Unternehmen in
Echtzeit über die Cyber-Bedrohungslage informieren" können sollte. Einschlägige
Informationen müssten EU-weit in einem zentralen Dashboard gesammelt werden. Nur
wenn Hinweise auf Gefahren sekundengenau vorlägen, könnten Betroffene auch
umgehend darauf reagieren.

(mho)

comments_outline_white Kommentare lesen (188) Zur Startseite
Inhaltsverzeichnis
 1. IT-Sicherheit: BSI warnt vor "Alarmstufe Rot"
    * Lücken ermöglichen neue Angriffsmethoden
    * Bei Exchange-Attacken anfangs fast alle Systeme verwundbar
    * Zehntausende Mails mit Schadsoftware im Regierungsnetz
    * Schwachstellen in Corona-Testzentren
    * Bitkom fordert sekundengenaue Informationen

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