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V-STROM KUPPLUNG REPARIEREN – IN BOLIVIEN

17. August 201811. Januar 2024

Es hätte kaum einen schlechteren Zeitpunkt für das Versagen der Kupplung von
Felicitas‘ DL650 V-Strom auf unserer Motorrad-Weltreise als in Bolivien geben
können. Aber bekanntermaßen kommen ja immer mehrere ungünstige Faktoren
zusammen, damit größere Probleme entstehen. In unserem Fall heißen diese:
Kupplung geht im Nirgendwo in die Fritten, ungewöhnlicher Regen auf dem Salar de
Uyuni, der den Untergrund auf dem Salzsee über viele Kilometer zu einer zähen
Matsche und den Weg zur Werkstatt zur Marter werden ließ und – wie sich gleich
herausstellen wird – ausgeleierte Kupplungsfedern und eine falsche Anzahl (!) an
Kupplungsscheiben. Und als kleines Sur-Plus am Rande: Bolivien ist das einzige
Land auf unserer Amerika-Reise, in dem es keine DL 650 gibt.

Aber eins nach dem anderen.


KUPPLUNGSAUTOPSIE BEI NOMADA EXPERIENCE IN UYUNI

Nach unserer Ankunft in Uyuni sind wir heilfroh, in der Garage von Huascar,
Robin und Fatima von Nomada Experience die kaputte Kupplung von Felicitas‘
V-Strom reparieren zu dürfen. Das Öffnen des Motorgehäuses geht schnell von der
Hand. Unterfahrschutz runter, Motoröl und Kühlwasser ablassen und dann den
rechten Motordeckel abgeschraubt. Bei zehn Jahre alten Mopeds geht dabei
traditionell die Dichtung des Motordeckels kaputt – so auch in unserem Fall.

Nach dem Lösen der sechs Kupplungsfedern entferne ich die Kupplungs-Druckplatte
und es offenbart sich das volle Desaster: Mehrere Kupplungsscheiben sind
gebrochen, haben sich komplett zerlegt und im Kupplungskorb verhakt (siehe
Titelbild). Entsprechend ramponiert sieht auch die Druckplatte aus, die muss
wohl zum Planen auf die Drehbank von Fatimas Bruder, der ist nämlich
professioneller Feinmechaniker.

Von den Kupplungsscheiben ist nicht viel übrig. Die zehn Jahre alte
Motordeckeldichtung ging bei der Demontage kaputt.


Eine Stunde brauche ich, um mit Zange und Schraubenzieher bewaffnet die
Bruchstücke aus dem Kupplungskorb zu operieren und mit Lappen und Benzin die
Späne aus dem Motorgehäuse zu wischen. Zum Glück ist der Kupplungskorb
unbeschädigt.

Penibel muss das ganze Kupplungs-Müsli mit Benzin aus dem Motor gespült werden.
Ich habe dazu auch den Auspuff demontiert, um zur besseren Reinigung neben der
Öl-Ablassschraube (24) auch den Verschlussstopfen (22) unter dem Ölsieb
aufschrauben zu können (siehe www.cmsnl.com).

Auf der Suche nach der Fehlerursache studiere ich das Werkstatthandbuch, dass
ich als pdf auf meinem iPad habe. Einem inneren Impuls folgend, zähle ich die
Kupplungsscheiben nach – und dann nochmal. Laut Werkstatthandbuch sollten es
sieben Belagscheiben (4) & (5) und sechs Kupplungsstahlscheiben (6) sein (siehe
www.vstrom.info). In Felicitas‘ V-Strom sind aber nur sechs Belagscheiben und
dafür sieben Stahlscheiben verbaut. Das Kupplungspaket hat also zu wenig
Reibfläche und ist außerdem zu dünn! Zusätzlich sind die Kupplungsfedern
verschlissen und fünf Milimeter unter Toleranz. Nicht gut..


WIR BRAUCHEN EIN NEUES KUPPLUNGSKIT

Wir brauchen also neue Kupplungsscheiben, -federn und eine neue Dichtung für den
Motordeckel. Noch sind wir frohen Mutes, schließlich haben wir bisher in jedem
unserer Reiseländer die gute DL 650 angetroffen. Doch unser Optimismus schmälert
sich schnell als klar wird, dass es ausgerechnet in Bolivien keine Ersatzteile
gibt. Ein Such-Schauspiel sondergleichen beginnt und erstreckt sich über die
nächsten Tage. Ich poste in allen möglichen Facebook-Gruppen, während Huascar
seine Motorrad-Kumpels abtelefoniert. Bei unseren Freunden von Suzuki in
Kolumbien, wo wir noch vor ein paar Monaten die Maschinen haben überholen
lassen, ist ausgerechnet jetzt Feiertag. Da müssen wir uns noch mit der Antwort
gedulden.



ERSATZTEILSUCHE MIT SOCIAL MEDIA

Ein erster Hoffnungsschimmer tut sich auf: In der Facebook-Gruppe Horizons
Unlimited Motorcycle Adventure Travellers bekomme ich den Kontakt zum Suzuki-
und Kawasaki-Händler Moto Hell in Quito, Ecuador. Wenige Stunden später liegt
auch schon das Angebot für Kupplung und Versand vor: 300 US$ zuzüglich
bolivianischem Zoll will Moto Hell haben. Oha, das ist ein saftiger Preis. Da
suchen wir doch lieber noch ein bisschen weiter.

Am nächsten Tag meldet sich, ebenfalls über Facebook, jemand aus Cochabamba,
Bolivien. Er hat Kontakte zu einem Ersatzteile-Importeur und will uns für 100
US$ die Kupplungsscheiben mit dem nächsten Flugzeug schicken. Das klingt doch
schon viel besser! Huascar überweist ihm für uns das Geld und wir sehen
siegreich dem glorreichen Ausgang unseres nächsten Abenteuers entgegen. Wie wohl
das Weltreisen noch vor zwanzig Jahren war, als es kein Internet, soziale Medien
und Motorradfahrer-Facebook-Gruppen gab?

Am nächsten Morgen dürfen wir dann statt geliefertem Paket doch eine
authentische, bolivianische Weltreiseerfahrung machen. Es stellt sich nämlich
heraus, dass es in Cochabamba zum einen nur zwei Kupplungsscheiben gibt und
diese zum anderen statt für unsere DL 650 für die gute alte DR 650 sind – und
natürlich nicht passen. Wenigstens kommt das Geld postwendend zurück. Also heißt
es: weitersuchen.


RETTUNG DURCH SUZUKI BOGOTÁ

Mittlerweile sind die Feiertage in Kolumbien vorbei und wir können mit Sebastian
von Suzuki Bogotá sprechen. Fatima übernimmt die Telefonate für uns, dass macht
die Kommunikation doch deutlich einfacher. Sebastian hat eine Kupplung auf
Lager, allerdings vom 2012er Modell. Er versichert uns aber, dass sie auch für
ältere V-Stroms passt. Sie soll 95 US$ kosten, dazu kommen noch 65 US$
Express-Versand mit FedEx – und der unberechenbare bolivianische Zoll. Versenden
könne er gleich Montag Morgen, die Lieferung würde dann noch ca. eine Woche
dauern. Wiedermal ist auf Suzuki Kolumbien Verlass! Fatima düst mit uns zur Bank
und hilft uns, mit MoneyGram das Geld zu überweisen.


WARTEN AUF DIE POST

Wir vertrödeln die nächsten Tage in Uyuni ohne besondere Aktivitäten. Wir
erholen uns vom Stress und den jüngsten Reisestrapazen mit Nichtstun,
am-Blog-Arbeiten und leckerem Essen. Fatima hat einige Jahre in Deutschland
gewohnt und verwöhnt uns mit allerlei Köstlichkeiten, die uns sehr ein Gefühl
von Zuhause geben. Sie besorgt sogar frische Fleischwurst zum Frühstück!

Fatima verwöhnt uns mit deutschem Frühstück: Es gibt frische Fleischwurst und
echten Käse!

Lange währt die Ruhe allerdings nicht, zwei Tage später meldet sich der
bolivianische Zoll. Da wäre so ein Paket, wir müssten noch jede Menge Geld
überweisen und man wüsste auch nicht, wann das weitergeschickt werden könnte und
wohin überhaupt.

Aaah!

Fatima greift wieder für uns zum Hörer und telefoniert stundenlang irgendwelchen
Zollheinis hinterher, deklariert die Kupplung als Nähmaschinenteile (damit die
Steuer günstiger wird), sendet Beschwerdenachrichten über den schlechten Service
und dass sie nicht bereit sei, dafür auch noch die verlangte Servicegebühr zu
bezahlen, wo sie doch schon alles selber machen müsse. Schlussendlich müssen wir
NUR noch 70 US$ für Zoll ohne Servicegebühr überweisen.

Einen Tag später erhalten wir die Nachricht, dass das Paket freigegeben und auf
dem Weg nach Uyuni sei. Oh man, ohne Fatima hätten wir das nie geschafft!


KUPPLUNGSLIEFERUNG UND EINBAU

Mit Spannung sitze ich am Morgen des Auslieferungstages an der Tür von Nomada
Experience und warte auf die Post. Nichts passiert. Mittags hängt sich Fatima
wieder ans Telefon und kriegt wenige Stunden später raus, dass das Paket
tatsächlich in Uyuni ist – und sich seit heute morgen an der Bushaltestelle
befindet. Frustriert über die unnötige Verzögerung stapfen wir also zur
Bushaltestelle und holen das Paket aus einem der unzähligen trüben und staubigen
Mini-Geschäfte ab. Endlich! Hoffentlich passt alles… ich glaube das erst, wenn
Sir Bumblebee wieder fährt!

Nach wochenlangem Gerenne und Telefoniere halten wir endlich das Kupplungskit
aus Kolumbien in Händen.

Etwas nervös wickle ich das Paket aus und lege alle neuen Teile auf die alten,
um zu sehen, ob sie identisch sind. Wir sitzen nun schon seit zwei Wochen in
Uyuni fest. Wenn jetzt noch was schiefläuft, geht uns die Zeit aus. Wir müssen
in zwei Wochen zur Verschiffung unserer Motorräder in Valparaiso sein.

Kupplungsscheiben und Dichtung sind tatsächlich identisch – nur die
Kupplungsfedern sind deutlich länger, als sie sein sollten. Ich will trotzdem
probieren, ob ich sie verwenden kann.

Alte und neue Kupplungs-Belagscheibe Alte und neue Kupplungsstahlscheibe Alte
und neue Motordichtung Alte und neue Kupplungsfedern


Mit Feile bewaffnet mache ich mich nun an die Anprobe der Kupplungsscheiben in
den Kupplungskorb. Vorsichtig entferne ich ein paar Rattermarken, bis sich alle
Scheiben ohne Klemmen und Haken einführen lassen. Passt! Ich atme auf. Sollten
wir uns schließlich auf der Zielgraden befinden?

Anprobe der Kupplungsscheiben: Passt!. Mit Motoröl müssen die neuen
Kupplungscheiben vor der Montage großzügig eingeschmiert werden Mittlerweile ist
auch die Andrückplatte vom Dreher zurück: sieht aus, wie neu!



PASSEN DIE KUPPLUNGSFEDERN DER 2012ER V-STROM?

Fehlen nur noch die Kupplungsfedern und Sir Bumblebee ist fast wieder flugfein!
Leider stellt sich heraus, dass Suzuki bei der Modellpflege der 2012er V-Strom
doch etwas an der Kupplung geändert hat. Die neuen Federn lassen sich zwar in
die 2008er V-Strom einbauen, die Kupplung lässt sich aber nur sehr schwer
ziehen.

Mit Mechaniker Robin rätsele ich, was zu tun ist. Mit neuen Federn kann man die
Kupplung kaum ziehen, die alten sind ausgeleiert und bergen das Risiko, dass die
neuen Kumpungsscheiben bei der nächsten offroad-Volllastaktion wieder abbrennen.
Als Kompromiss baue ich schließlich alles mit drei neuen und drei alten Federn
zusammen.

V-Strom Kupplung mit drei alten 2008er und drei neuen 2012er Kupplungsfedern
kurz vor dem Festschrauben. Die Kupplung fühlt sich trotzdem sehr steif an.

Die Motordeckeldichtung des 2012er Modells passt hingegenwieder tadellos und so
dauert es nicht mehr lange, bis auch Motoröl und Kühlflüssigkeit aufgefüllt
sind. Dann der große Moment: Wird alles funktionieren?


TEST DER NEUEN KUPPLUNG

Ich drücke auf den Startknopf, der Motor springt an. Vorsichtig lege ich den
ersten Gang ein – und muss ernüchtert feststellen, dass auch mit nur drei neuen
Federn die Rückstellkraft so groß ist, dass die Kupplung nicht sauber trennt und
das Getriebe nicht vernünftig schaltbar ist. Mist! Also Öl und Kühlwasser wieder
raus und alles nochmal auseinander. Bis Deutschland wird Felicitas wohl oder
übel mit den alten Federn weiterfahren müssen.

Wenige Stunden später sind die Federn auf die sechs alten zurückgetauscht, der
Motor wieder zusammengebaut und erneut mit Betriebsmitteln geflutet. Druck auf
den Startknopf, Motor springt an, Gang eingelegt – und alles funktioniert! Sanft
und präzise greift die neue Kupplung. Bleibt zu testen, ob die niedrige
Andrückkraft der alten Federn ausreicht, dass die Kupplung bei starker Belastung
nicht rutscht. Ich fahre den Motor in den staubigen Gassen von Uyuni kurz warm
und gebe dann auf der Hauptstraße Vollgas. Die V-Strom beschleunigt, ohne dass
ich ein Rutschen der Kupplung feststellen kann. Auch als ich gleichzeitig die
Hinterradbremse trete, um bei Vollgas eine konstante Geschwindigkeit zu halten,
rutscht nichts und die Motordrehzahl bleibt konstant!


ENDLICH WIEDER FREI

Es ist geschafft, wir können endlich wieder auf die Straße! Was für eine
nervenzehrende Zeit. Ohne die tatkräftige Unterstützung von Fatima, Robin und
Huascar hätte alles sicherlich noch viel länger gedauert. Wir können es kaum
erwarten, die Koffer zu packen, die Stromsis zu satteln und uns auf den Weg gen
Süden über die legenfäre Laguna Route zu machen. Vielen Dank für eure
Gastfreundschaft und die großartige Hilfe!

Die Crew: Tourorganisatorin und Überzeugungskünstlerin Fatima, Inhaber Huascar,
Mechaniker Robin, wir und zwei Leihmotorräder von Nomada Experience.

Andreas


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Veröffentlicht in: Alle Beiträge, Logbuch, Motorräder | Schlagwort: Abenteuer,
Bolivien, Kupplung, MacGuyver, Uyuni


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3 GEDANKEN ZU „V-STROM KUPPLUNG REPARIEREN – IN BOLIVIEN“

 1. Mike, der Käfer, Bulli, Jetta, und KLR fahrer aus Kanada sagt:
    18. August 2018 um 4:48
    Antworten
    
    
    Die Federn, normaleweise gehen nur kaputt wenn die zu Heiß werden. Mann kann
    das sehen wenn die blau sind. Mach dir keine sorgen; wird warscheinlich ok
    sein. Ist besser alles 3 neue Federn–vielleicht konte die Kupplung Deckel
    das nicht vertragen.Hoffentlich hast du den Ölfilter aus getauscht. Wenn
    nicht, mach es sofort oder mindestens raus nehmen und sauber machen. Du
    willst nicht dass der Motor nicht genug Öl hat. Alles Gute!

    
 2. Fred sagt:
    24. August 2018 um 21:39
    Antworten
    
    
    Danke für diese tolle Einsicht. Lese schon seit einiger Zeit still mit.

    
 3. Pingback: Mit dem Motorrad im Winter über die Lagunas Route von Uyuni nach
    San Pedro de Atacama – weltenstromer.com
    


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