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GEOLOGIE & NATUR IN MITTELDEUTSCHLAND

Prof. Dr. Arnold Müller - Geologe / Paläontologe
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PALÄOGENE FAUNEN UND FOSSILIEN

Mitteldeutschland gehört zu den fossilreichsten Regionen des tertiären
Nordseebeckens: Genauer betrachtet gilt das aber nur für ein Zeitfenster von
etwa 10 Millionen Jahren, vom Obereozän bis zum Oberoligozän (rund 35 – 25
Millionen Jahre vor heute). Davor und danach gab es zumindest im Norden von
Sachsen-Anhalt noch Sedimente mit Fossilien. Sie liegen heute aber in größerer
Tiefe und entziehen sich so dem direkten Zugang. Weiter südlich bestimmten über
weite Strecken kontinentale bis ästuarine Bedingungen das Bild. Vor allem die
Begleitsedimente der Braunkohlenflöze enthalten oft wunderbar konservierte
Pflanzenreste, aber keine tierischen Reste. Sie haben das von den
Braunkohlenmooren ausgehende saure Milieu (Huminsäuren) nicht überdauert. Eine
Ausnahme bildet die Braunkohle des Geiseltals. Dort haben karbonatreiche
Zuflüsse aus dem Muschelkalkgebiet der Querfurter Platte für eine
Neutralisierung der Huminsäuren gesorgt und einer einmaligen eozänen Fauna die
Erhaltung bis heute ermöglicht. Während das (heute ausgekohlte) Geiseltal also
tiefe Einblicke in die Flora und Fauna  Mitteleuropas im Eozän ermöglichte,
bieten die marinen Sedimente aus Obereozän und Oligozän mit ihren Fossilien eine
ähnliche Möglichkeit für ein Stück biologische Geschichte der Nordsee.




1 und 2:  Cancellaria evulsa und  Pecten (Hilberia) hoeninhausi aus dem
Rupelschluff von Amsdorf, 3: pyritisierter Schwamm aus der Silberberg-Formation
von Atzendorf und 4: Zahn von Carcharias acutissimus aus dem Tagebau Espenhain.

 

Ein Heer von Organismengruppen ist an diesen reichen Faunen beteiligt.
Foraminiferen, Schwämme, Korallen, Bryozoen und Brachiopoden sind ebenso
vertreten wie diverse „Würmer“ (beispielsweise Serpuliden und räuberische
Polychaeten), Krebstiere (Crustacea)und Stachelhäuter (Echinodermata). Den
Löwenanteil der Wirbellosen stellen aber die Weichtiere (Mollusken).
Käferschnecken (Polyplacophora), Muscheln (Bivalvia), Schnecken (Gastropoda),
Kahnfüßer (Scaphopoda) und Kopffüßer (Cephalopoda). Käferschnecken und
Cephalopoden bleiben freilich recht artenarm und auch die Kahnfüßer bilden eine
relativ artenarme Gesellschaft. Muscheln hingegen sind in großer Artenzahl
vorhanden. Die höchste Diversität unter den Molluskengruppen erreichen jedoch
die Gastropoden. Insgesamt erfasst unser Zeitfenster von rund 10 Millionen
Jahren über 2.000 Molluskenarten. Genau ist das nicht zu beziffern, denn erst
eine moderne Revision mit Klärung des Status’ vieler Taxa ließe eine exakte
„Volkszählung“ (Ermittlung der Biodiversität) zu. Erfahrungsgemäß werden nach
einer Revision einige Taxa von der  Liste gültiger und anerkannter Arten
verschwinden, dafür andererseits durch Neubeschreibung bisher unerkannter Arten
neue hinzu kommen. Durch die Präsenz von bisher wenig bekannten Habitaten
(beispielsweise die Felslitorale von Mammendorf) dürfte die Liste am Ende eher
wachsen, weil mehr unbeschriebene Arten entdeckt werden als die Liste durch
invalide Arten/Namen verliert.

 


1. Solitärkoralle von Atzendorf, 2: Bryozoenästchen von Mammendorf, 3:
doppelklappiger Brachiopode Lacazella mediterranea von Mammendorf. Das Armgerüst
(Brachidium) ist perfekt erhalten. Mitte: Ästchen einer Bryozoenkolonie
(Moostierchen). 4: dieses gewundene Sepulidengehäuse von Atzendorf
interpretierte man früher als Schnecke (Vermetidae). 5: komplett erhaltene
Seepocke.

 



Wirbeltiere werden in einem Meeresgebiet natürlich vorrangig durch Fische
repräsentiert. Hai- und Rochenzähne sind allgegenwärtig, in manchen Lagen sogar
ausgesprochen häufig. Die höheren Knochenfische hinterließen mit ihren
Gehörsteinchen (Otolithen) gut bestimmbare Fossilreste, während komplett
erhaltene Skelette eine absolute Rarität sind. Neben Fischen lebten Seekühe und
große Seeschildkröten in der damaligen Nordsee, selbst altertümliche Wale fanden
sich zuweilen ein. Die Küsten waren von Seevögeln bevölkert, aber auch Reste von
Vögeln des Binnenlandes wurden gefunden. Manchmal fand über die einmündenden
Flüsse auch ein Kadaver von Tieren des Binnenlandes seinen Weg in den
küstennahen Raum und strandete hier – ein Glücksfall für die Biostratigraphie.
Die seltenen Funde erlauben den direkten Abgleich der marinen mit der
kontinentalen Biostratigraphie (beispielsweise Nannoplankton- und
Säugetierzonen).

 



Otolith eines Froschdorsches (Raniceps latisulcatus) von Mammendorf. 2: Otolith
eines Seehechts (Palaeogadus compactus) von Amsdorf, 3: Otolithen von zwei Arten
der Kardinalfische (Apogonidae) und rechts Otolithen von Gephyroberyx
(Trachichthyidae, Sägebäuche) von Atzendorf.

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FOSSILIEN UND WISSENSCHAFTLICHE NAMEN – EINE ECHTE HÜRDE

 

Die wissenschaftliche Benennung von Organismen folgt strengen Regeln. Grundlage
ist das Binomen aus Gattungs- und Artennamen nach Linne, zu dem sich noch
Erstautor und Jahreszahl der gültigen Erstbeschreibung gesellen. Mit diesen
Namensbestandteilen ist eine Art eindeutig zu identifizieren. Will man fossile
Organismen benennen und beschreiben, kommt man um die wissenschaftlichen Namen
nicht herum. Sogenannte Volks- oder Trivialnamen gibt es in der Regel nicht. Als
die Menschheit in ihren vielen Sprachen Namen für die sie umgebenden Dinge
prägte, gab es das Problem der Benennung von Fossilien noch nicht. Nahezu jeder
Einsteiger in dieses Thema stöhnt zunächst über die vielen und zuweilen
unaussprechlichen Namen. Dann taucht das nächste Problem auf: Man hat sich
mühsam Namen eingeprägt und plötzlich heißt das Viech anders. Tja, Wissenschaft
heißt eben auch Kenntniszuwachs und Veränderung. Ergeben sich beispielsweise
neue Einsichten zu Verwandtschaftsverhältnissen, wird eine Art innerhalb des
„Stammbaums“ (Kladogramms) auf einen anderen Platz verschoben. Dann ändert sich
der Gattungsname, sofern nicht die ganze Gattung umdisponiert wird. Merke: Der
stabile Teil eines Namens ist der Artname in Verbindung mit Erstautor und
Erstbeschreibungsjahr. So ist (fiktiv) Lamna depressa (Meier, 1877) auch unter
einem neuen Namen (fiktiv) Rhizorius depressus (Meier, 1877)  leicht zu finden.
Manche Namen verschwinden auch ganz, weil die dazugehörige Art als invalid
angesehen wird oder der Name nur ein jüngeres Synonym Homonym für eine ältere
Beschreibung des gleichen Tieres ist. Der älteste verfügbare Name hat dann
Priorität. Mehr ist hier nicht zu sagen. Das komplexe Regelwerk von Taxonomie
und Nomenklatur füllt ganze Bücher...

 



1: Zahn eines Sandtigerhais (Carcharias acutissimus, Odontaspididae) von
Mammendorf. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Art den verschiedensten
Gattungen zugewiesen, beispielsweise Odontaspis, Synodontaspis oder Eugomphodus,
aktuell Carcharias. 2: Zahn von Otodus angustidens. Gattungsnamen wie
Carcharodon, Carcharocles oder Procarcharodon sind für diese Gruppe in Gebrauch
gewesen. Aktuell hat man sich wieder auf den alten Klassiker Otodus geeinigt.

 

Wenn Sie sich ernsthaft mit Fossilien beschäftigen möchten, müssen Sie diese
Hürde nehmen und sich wissenschaftliche Namen aneignen, sonst bekommen Sie keine
Ordnung in die Dinge. Manche postum erfundenen Trivialnamen bieten auch keine
Rettung. Als Grzimek beispielsweise Fische der Gattung Pterothrissus als
Großflossengrätenfische etikettierte, war das nicht unbedingt eine Verbesserung.
Kurzum: Sie werden im Kapitel Fossilien in den Bildgalerien eine Menge von
Binomen in Kombination mit Autorennamen und Jahreszahlen finden, weil ich Ihnen
keine andere vernünftige Alternative anbieten kann.

 

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FAUNEN

Der Terminus Fauna (oder auch Flora – für Pflanzen gilt Ähnliches) wird
inflationär gebraucht. Eine Fauna ist ein (tierisches) Organismenkollektiv,
welches in einem bestimmten Zeitraum einen definierten Lebensraum besiedelt.
Dieser Lebensraum kann in mehr oder weniger zahlreiche Habitate gegliedert sein,
die nur von einem Teil der Gesamtfauna besiedelt sind. Bei solchen kleinen
Untereinheiten sollte man lieber den Terminus Faunula verwenden. Er steht für
eine Teilmenge einer Gesamtfauna, die konkret in einem begrenzten Horizont an
einer bestimmten Stelle gefunden wird. Fossil ist sowieso nicht alles erhalten,
sondern bestenfalls die Teilmenge von Orgismen, die irgendwelche
erhaltungsfähigen Hartteile ausbildet.

Betrachten wir unser Zeitfenster, können wir im Zeitraum Obereozän bis Ende
Oligozän drei große, in sich recht geschlossene Organismengesellschaften
(Faunen) aushalten: eine obereozäne Fauna, die bis in das Unteroligozän heutiger
Grenzziehung reicht, eine typische Rupelfauna und eine typische Chattfauna. In
der Obereozänfauna dominieren besonders anspruchsvolle Warmwasserarten. Es war
das letzte Stück echte „Südsee“ in der Nordsee. Auch wenn es im Miozän (miozänes
Klimaoptimum) nochmals richtig warm wurde – das Niveau der „Latdorf-Südsee“
wurde nicht wieder erreicht. Zahlreiche Latdorf-Faunenelemente verschwanden am
Ende der NP21  abrupt.  Der größte Teil erlosch komplett in der Nordsee. Andere
zogen sich in wärmere Refugien zurück und kehrten warmen Phasen im Oberoligozän
und Miozän kurzzeitig in das Nordseebecken zurück. Der Artenschwund am Ende der
Nannoplanktonzone NP21 markiert einen der schärfsten Faunenwechsel im tertiären
Nordseebecken.

 



Wunderbar erhaltene Schnecken aus den Latdorf-Bohrkernen (Patella, Puncturella,
Pseudoneptunea, Granosolarium und Architectonica s.l.).

 



Der Rupelbasisbereich (NP22, Rupelbasissand an vielen Orten) wird heute oft in
ein erweitertes Latdorfium einbezogen. Diese Fassung ist weitgehend identisch
mit dem belgischen Tongrien. Durch diese Verschiebungen geht leider der Inhalt
mancher gewohnter Termini über den Jordan und der ganze Grenzbereich
Eozän-Oligozän hält heute manche terminologische Fallstricke und Ungereimtheiten
bereit. Ungeachtet dieser Probleme gibt es in diesem Bereich eine basale
Rupelfauna, die einerseits außerordentlich arm sein kann, wenn die Sande nicht
überhaupt entkalkt sind. Andererseits gehören die Fauna der Sande von Magdeburg
und der obere Transgressionszyklus von Mammendorf zu den fossil- und
artenreichsten Schichten der Region. Auch ein großer Teil des Amsdorfer Profils
ist gehört der NP22 an mit sehr interessanter Fauna. Es ist also eine starke
Faziesdifferenzierung zu beobachten. Ungünstige Lebensbedingungen an einem Ort
wechselten mit besseren Bedingungen an anderen Orten. Die häufige Fossilarmut
wird zuweilen (analog zur heutigen Klimadiskussion) mit Ozeanversauerung in
Verbindung gebracht. Saures Milieu war sicher oft im küstennahen Raum vorhanden,
aber eher durch hohen Huminsäureeintrag. Zu dieser Zeit entstand an den Küsten
das großflächig verbreitete Flöz Gröbers bzw. Böhlener Oberflöz. Aus diesen
gewaltigen Mooren müssen große Mengen sauren Wassers abgeflossen sein. Aber auch
dysoxische bis anoxische Verhältnisse (Sauerstoffarmut) sind als Ursache zu
diskutieren. Es ist sicher kein Zufall, dass die (gut durchlüfteten) Hochlagen
bei Magdeburg mit ihren Flachwasserfaunen eine spektakuläre Artenvielfalt
aufweisen, während in schwarzen, kohlenstoffreichen Sanden einige Kilometer
daneben ausgesprochene Armut herrscht.

 



Links: Im Zuge der jüngsten Untersuchungen entdeckt: Massenvorkommen von
Limacina aff. karasawai Ando, 2011 im basalen Teil des Amsdorfer Rupelschluffs
(NP22). Recht: Ein ausgelesenes Fossilkonzentrat aus den Latdorf-Bohrungen.

 

Große Teile des Unteroligozäns sind in Septarientonfazies ausgebildet. Im Raum
Magdeburg ist es der typische, ziemlich fette Ton mit seiner speziellen
Mollusken- und Fischfauna, in größerer Meerestiefe und Stillwasserbedingungen
entstanden. Weiter nach Süden, in Richtung Küste, nimmt der Gehalt an Schluff
und Feinsand zu. Besonders schön ist das im Tagebau Amsdorf zu sehen, wo das
Profil einen rhythmischen Wechsel von schluffigen Feinsanden und tonigen
Schluffen zeigt. Die Faunenspektren von dort zeigen aber stärkere Beziehungen
zum norddeutschen Septarienton an als zu den echten Küstensedimenten südlich von
Leipzig. Immerhin lieferten die drei Faziesbereiche zusammen eine reiche
unteroligozäne Gesamtfauna. Die Septarienton- oder Rupelschluff-Fazies beginnt
lokal (Amsdorf) bereits in der NP22, teilweise aber auch erst in der unteren
NP23, und reicht bis zur NP24. Der höchste Teil des Unteroligozäns wurde in
einer Regressionsphase zum Chattium erosiv gekappt. Der Grenzbereich ist durch
eine große Schichtlücke vertreten.

 

Die jüngste fossilreiche Meeresfauna Mitteldeutschlands stammt aus dem unteren
Chattium (Eochattium, Asterigerinenhorizont 2). In dieser Zeit entstanden
zwischen Bitterfeld und Zerbst ursprünglich fossilreiche Grünsande, die ihren
Fossilinhalt aber fast überall sekundär durch Entkalkung verloren haben. Nur an
der Elbe zwischen Dessau und Aken gibt es Stellen, wo gute Fossilien zu finden
sind. Die nächsten Punkte kommen dann erst ganz im Norden in den
Stauchendmoränen der Altmark oder sind im Untergrund nur durch Bohrungen zu
erreichen. Die Fauna unterscheidet sich deutlich von der Rupelfauna. Zahlreiche
neue Arten markieren das Eochattium, u. a. Mollusken und Fische.

 

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LATDORF-FAUNA VON ATZENDORF, LATDORF UND AUS BOHRUNGEN BEI
NACHTERSTEDT-SCHADELEBEN

 

Die Latdorf-Fauna ist sicher die artenreichste der paläogenen Faunen
Mitteldeutschlands. Die von Adolf von Koenen (1889-1894) beschriebenen über 700
Molluskenarten geben sicher einen immer noch gültigen Anhaltspunkt zur
Diversität ab, auch wenn manche der damals beschriebenen Arten heute nicht mehr
anerkannt werden. Dafür andererseits bisher unbeschriebene Arten hinzu. Doch
nicht nur Mollusken, sondern auch Korallen, Brachiopoden, Bryozoen und andere
Evertebraten tragen zur hohen Diversität bei. Fischotolithen kommen ebenfalls
häufig vor und belegen eine außerordentlich artenreiche Fischfauna in diesem
Zeitabschnitt. Allerdings gibt es auch eine schwer erklärbare Besonderheit:
Selachierreste (Zähne von Haien und Rochen) sind merkwürdig selten.

 



Links: Zahlreiche Kleinmollusken in aus einer Probe der Bohrung Latdorf 1/2012.
Rechts: Muscheln, Bryozoen und Seeigelstacheln aus einem Fossilkonzentrat von
Atzendorf.

 

Bildergalerien
Latdorf-Fossilauslesen     Gastropoden (Schnecken) aus dem Latdorfium 1    
Gastropoden (Schnecken) aus dem Latdorfium 2    Gastropoden (Schnecken) aus dem
Latdorfium 3
Gastropoden (Schnecken) aus dem Latdorfium 4     Gastropoden (Schnecken) aus dem
Latdorfium 5    
Bivalven (Muscheln) aus dem Latdorfium 1    Bivalven (Muscheln) aus dem
Latdorfium 2
 

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FELSLITORALE MAGDEBURG-STADT

Im Magdeburger Raum trangredierte die unteroligozäne Nordsee mehrfach über den
festen Untergrund der heutigen Stadt und überflutete auch den nordwestlich davon
liegenden Flechtinger Höhenzug oder auch Flechtinger Rücken. Zum großen Teil
sind diese interessanten und fossilreichen Schichten vom Eis der pleistozänen
Eisvorstöße ausgeräumt worden.  Im Stadtgebiet von Magdeburg zwei fossilreiche
Horizonte Spuren hinterlassen: Sande und Schluffe aus dem Latdorfium und Sande
aus dem basalen Rupelium. Sie enthalten oft das grüne Mineral Glaukonit und sind
deshalb grünlich gefärbt („Magdeburger Grünsand“). Fossilien findet man nur
selten, weil die Horizonte heute nur noch punktuell vorhanden sind
(Erosionsrelikte) und nur ab und zu durch Bohrungen oder Tiefbauarbeiten
erschlossen werden. Selbst wenn der „Grünsand einmal aufgeschlossen ist, kann er
durch sekundäre Entkalkung seine Fossilien verloren haben. Daher kann jede
Ausschachtung und Bohrung im Stadtgebiet für Überraschungen gut sein. Nicht
zuletzt ist auch der Septarienton im Magdeburger Stadtgebiet verbreitet. Das
Spektrum des Alters der verschiedenen Schichten reicht insgesamt von der
Nannoplanktonzone NP21 bis zur NP23. Es stecken also mehrere Faunen in der
Schichtenfolge, die zuweilen auch ein wenig durcheinander gebracht wurden.

Das klassisches Unteroligozänprofil Magdeburgs wurde beim Bau der Strombrücke
(Sternbrücke) erschlossen. Die Ausschachtungen für den westlichen Pfeiler am
Ufer lieferten eine artenreiche Fauna, die von verschiedenen Autoren beschrieben
wurde. Auch an den Festungsanlagen und am Krökentor wurden fossilreiche
Schichten kurzzeitig erschlossen. Nicht vergessen werden soll natürlich der
längst überbaute Steinbruch in der Neustadt, der Mitte des 19. Jahrhunderts eine
wesentlich Quelle für die Publikationen von Beyrich war.

 



Otolithen aus dem Unteroligozän (NP22) von Magdeburg: Links: Phycis
magdeburgensis Müller & Rosenberg, 2000;  Mitte: Gaidropsarus bergensis
(Gaemers, 1972) und rechts: „genus Centracanthidarum“ crassirostris Müller &
Rosenberg, 2000.

 

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FELSLITORALE BEI MAMMENDORF

Bei Mammendorf betreibt die Firma Cronenberger Steinindustrie, Franz Triches
GmbH & Co KG, einen großen Steinbruch in unterpermischen Andesiten. Auf dem
Andesitrücken sind Reste eines unteroligozänen Felslitorals aus zwei
Trangressionsphasen erhalten, die dem oberen Latdorfium und dem unteren Rupelium
zugeordnet werden können. Die ältere Fauna zeigt eine wunderbar erhaltene
Warmwasserfauna mit Latdorf-Affinität, die jüngere Fauna ist eine typische Fauna
des basalen Rupelium und leitet in die Fazies des Septarientons über, der in
Resten auch noch gefunden wurde.

Diese Faunen sind außerordentlich artenreich, unterscheiden sich aber in ihrer
Zusammensetzung sehr stark von den üblichen Weichbodenfaunen des Unteroligozäns.
Es gibt nur wenige Arten, die in beiden Faziesräumen vorkommen. Der Aufschluss
bot erstmalig die Möglichkeit, ein solches Environment großflächig zu
untersuchen. Der Abbaufortschritt über die Jahre schuf immer neue Möglichkeiten,
den internen Bau der teilweise mächtigen Bänke aus Brandungsschutt zu studieren.
Die Sande in den Zwickeln zwischen den Blöcken lieferten eine prächtig erhaltene
Fauna mit Korallen, Bryozoen, Brachiopoden, Mollusken und Fischresten. Da etwas
Vergleichbares bisher im Nordseebecken nicht aufgeschlossen war, gibt es sogar
eine ganze Anzahl bisher unbeschriebener Arten. Die tiefere Bearbeitung dieser
Fauna wird noch Jahre in Anspruch nehmen.

 



Abseits der zahlreichen Mollusken sind auch andere Tiergruppen im Mammendorfer
Fossilmaterial reichlich vertreten, hier eine Solitärkoralle, ein Ästchen einer
Bryozoenkolonie, ein kleiner Brachiopode (Argyrotheca sp.) sowie das Gehäuse
eines Röhrenwurms (Serpulidae, Spirorbis?).

 

Bildergalerien

Gastropoden (Schnecken) von Mammendorf 1     Gastropoden (Schnecken) von
Mammendorf 2    
Gastropoden (Schnecken) von Mammendorf 3

 

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AMSDORF

Der ROMONTA-Tagebau ist ein besonderer Ort. In einer Randsenke des
Teutschenthaler Salzsattels, am nordwestlichen Rand der Querfurter
Muschelkalkplatte, ist ein Erosionsrelikt des Rupelschluffs erhalten geblieben.
Wegen der tiefen Absenkung haben maximal um 35 m Rupelschluff  bis heute
überdauert. Mit seiner Bankung vermittelt das Profil etwas zwischen der
beckenwärtigen Septarientonfazies und der Randfazies bei Leipzig. Wegen seiner
hohen Diversität, aber geringen Densität der meisten Fossilien ist der Reichtum
der Amsdorfer Fauna erst über jahrelange Sammeltätigkeit erfasst worden (G.
Hondorf, H. Huhle u.a.), wobei den Sammlern in erster Linie Makrofossilien ins
Netz gingen. Amsdorf ist auch für einige Endemismen (Mollusken) bekannt, die
bisher nur von dort beschrieben wurden.

Wir haben dann durch umfangreiche, streng horizontierte und  hochauflösende
Beprobung die Kleinfossilien gewonnen und können daraus u.a. fundierte
Schlussfolgerungen für die Biostratigraphie ziehen. Besonders interessant sind
die Pteropodenhorizonte.

 



Fossilien aus dem Rupelschluff von Amsdorf. 1: Muschel Thyasyra benedeni, 2:
Schnecke Scalaspira waeli mit perfekt erhaltener Gehäusespitze (Protoconch), 3:
Zahn von Otodus angustidens und 4: Otolith von Lopholatilus ellipticus, einem
Verwandten des rezenten Ziegelbarsches (L. chamaelleonticeps) aus dem
Westatlantik.  

   

Bildergalerien

Mollusken von Amsdorf 1     Mollusken von Amsdorf 2    Mollusken und Fische von
Amsdorf 3

 

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SÜDRAUM LEIPZIG

Im Süden von Leipzig ist in der (heute leider nicht mehr zugänglichen)
Böhlen-Formation eine Unmenge von Fossilien gefunden worden. Zahlreiche
Organismengruppen sind in dieser Fauna vertreten - die Bandbreite reicht von den
winzigen, einzelligen Foraminiferen bis zu großen Säugetieren. Besonders
artenreich sind Mollusken und Fische in dieser Fauna vertreten. Zu den
spektakulären Funden gehören ziemlich komplette Panzer großer Seeschildkröten,
Skelette von Seekühen oder Skelettreste von Urtapiren, Schreckschweinen und
Nashörnern. Die perfekt erhaltenen Haizähne aus dem Phosphoritknollenhorizont
stellten ein besonderes Ziel für Fossilsammler dar und die Jagd nach den großen,
aber seltenen Zähnen von Otodus angustidens gehörte irgendwie dazu.

 



Vier Haizähne aus den unteroligozänen Schichten südlich von Leipzig. 1:
Notorhynchus primigenius (Sechskiemer), 2. Squatina angeloides (Meerengel) 3:
Carcharoides catticus (Carcharoides ist eine fossile Gattung) und 4: Galeocerdo
aduncus (Tigerhai). 

 

Bildergalerien
Mollusken aus der Böhlen-Formation 1     Mollusken aus der Böhlen-Formation
2    
Mollusken aus der Böhlen-Formation 3    Haizähne aus der Böhlen-Formation
 

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FORTSETZUNG FOLGT

Bohrungen müssen noch ausgewertet werden und viel Material ist noch
durchzusehen. In den vergangenen Jahren sind Tonnen von Sediment geschlämmt und
ausgelesen worden. Vieles ist im ersten Anlauf provisorisch bestimmt worden.
Manche Fossilgruppen wurden komplett an nette Kollegen zur Bearbeitung
weitergegeben. Kurz: Alles braucht seine Zeit. Allein das Auspicken der
Schlämmrückstände kann bei einem großen Projekt mehrere Jahre in Anspruch
nehmen. Es wird also immer wieder Gelegenheit geben, die Seite zu aktualisieren.
Auch die Fossilgalerien werden weiter vervollständigt. Schauen Sie gelegentlich
einfach mal rein, ob etwas Neues dabei ist!

 



Fossilien aus gegenwärtig in Arbeit befindlichen Aufschlüssen. Links: Muschel
Arctica islandica rotundata (fossile Islandmuschel) aus dem Eochattium von
Wiepke-Zichtau, 2: Auster Cubitostrea ventilabrum aus dem Obereozän und 3:
Pectinid aus dem Oberoligozän (Eochattium) aus Bohrkernen von Bohrungen in der
Colbitz-Letzlinger Heide.

 

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KLASSISCHE LITERATUR BIS 1950 (WIRD WEITER VERVOLLSTÄNDIGT)

Beyrich, E. (1853-1856): Die Conchylien des norddeutschen Tertiärgebirges.- Z.
dtsch. geol. Ges., 5: 273-358, Taf. 4-8 (1853); 6: 408-500, Taf. 9-14 (1854);
726-781, Taf. 15-18 (1854); 8: 21-88, Taf. 1-10 (1856); 553-588, Taf. 15-17
(1856); Berlin.

Bornemann (1860), J.G.: Bemerkungen über einige Foraminiferen aus den
Tertiärbildungen der Umgegend von Magdeburg.- Z. Dtsch. Geol. Ges., 12: 156-160;
Berlin.

Ebert (1889): Die Echiniden des nord- und mitteldeutschen Oligozäns.- Abh. geol.
Specialkarte Preußen, 9 (1889), 1: 80 S., 10 Taf.; Berlin.

Franke, A. (1925): Die Foraminiferen des norddeutschen Unter-Oligocäns mit
besonderer Berücksichtigung der Funde an der Friedrich-Ebert-Brücke in
Magdeburg.- Abh. Ber.  Mus. Naturkd. Magdeburg, 4: 146-190; Magdeburg.

Franke , A. (1939): Die Bryozoen des Unteroligocäns von Magdeburg.- Abh. Ber. 
Mus. Naturkd. Magdeburg, 7 (1): 59-67, 2 Taf.; Magdeburg.

Koenen, A. von (1867-1868): Das marine Mittel-Oligocän Norddeutschlands und
seine Mollusken-Fauna.- Palaeontogr., 16 (2): 53-128, Taf. 6-7 (1867); (3):
145-158, Taf. 12-14 (1867); (6): 223-295, Taf. 26-30 (1868); Kassel.

Koenen, A. von (1863): Über die Oligocän-Tertiärschichten der Magdeburger
Gegend.- Z. Dtsch. Geol. Ges., 15: 611-618; Berlin.

Koenen, A. von (1867-1868): Das marine Mittel-Oligocän Norddeutschlands und
seine Mollusken-Fauna.- Palaeontogr., 16 (2): 53-128, Taf. 6-7 (1867); (3):
145-158, Taf. 12-14 (1867); (6): 223-295, Taf. 26-30 (1868); Kassel.

Kutscher, M. (1985): Die Echinodermen des Magdeburger Grünsandes
(Mittel-Oligozän).- Abh. u. Ber. Naturkd. Vorgesch. (12 (6): 3-14, 3 Taf.;
Magdeburg.

Philippi, R.A. (1846-1847): Verzeichnis der in der Gegend von Magdeburg
aufgefundenen Tertiärversteinerungen.- Palaeontogr., 1 (1): 42-44 (1846); (2):
45-90 (1847); Kassel.

Regius, K. (1948): Vier kleine Mitteilungen über den Untergrund der Stadt
Magdeburg.-Mitt. Mus. Naturkd. Vorgesch. Magdeburg1, Heft 2: 49-160; Halle
(Saale).

Regius (1962): Fossilien aus dem Magdeburger Grünsand am Schroteplatz in
Magdeburg.- Abh. u. Ber. f. Naturkunde und Vorgeschichte, 11 (3): 39-41;
Magdeburg.

Schreiber, A. (1871): Einige mitteloligozäne Brachiopoden bei Magdeburg.-
Zeitschrift für die Gesammten Naturwissenschaften (Naturwissenschaftlicher
Verein für Sachsen und Thüringen in Halle), 37: 60-62; Berlin.

Schreiber, A. (1872a): Die mitteloligozänen Bryozoen des Grünsandes bei
Magdeburg.- Zeitschrift für die Gesammten Naturwissenschaften
(Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle), 39:
475-481; Berlin.

Schreiber, A. (1872b): Die Entwicklungsstufen einiger Gastropodenformen im
Mittel-Oligocän Magdeburgs.-Zeitschrift für die Gesammten Naturwissenschaften
(Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle), 39: 59-62;
Berlin.

Schreiber, A. (1872c): Die Sedimente des Tertiärmeeres bei Magdeburg.-
Abhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins zu Magdeburg, 3: 21-26;
Magdeburg.

Schreiber, A. (1874): Beiträge zur Fauna des mitteloligocänen Grünsandes aus dem
Untergrunde Magdeburgs.- Schulprogramm Real-Gymnasium Magdeburg, 22 S.;
Magdeburg.

Schreiber, A. (1884): Die Fauna des Grünsandes im Gebiete der Stadt Magdeburg .-
Abh. des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Magdeburg, 5:32-39; Magdeburg.

Wiegers, F. (1924): Geologisches Wanderbuch für den Regierungsbezirk Magdeburg:
296 S., 75 Abb., Stuttgart (F. Enke).

Wolterstorff, W. (1894): Ueber die Auffindung des Unteroligocäns in
Magdeburg-Sudenburg.- Festschr. Naturwiss. Ver. Magdeburg: 25-39; Magdeburg.


NEUERE LITERATUR ZU FOSSILIEN/FAUNEN DER REGION AB 1951 (WIRD WEITER
VERVOLLSTÄNDIGT):

Bellmann, H.-J.; Eissmann, L. & Müller, A. (1990): Das marine und terrestrische
Mitteltertiär in den Großaufschlüssen der südlichen Leipziger Bucht.-
Exkursionsführer zur Geotagung Bremen 1990.- Ber. FB Geowiss. Univ. Bremen, 1o:
2-12, 7 Faltblätter; Bremen.

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BILDER ZU TERTIÄRTHEMEN

In der Seitenbox finden Sie derzeit noch die Verlinkungen zu Bildergalerien. Sie
zeigen Fossilien aus dem mitteldeutschen Tertiär. Die Herstellung der Galerien
(insbesondere die Bildbearbeitung und Beschriftung) ist sehr arbeitsaufwendig
und da der Adobe Flashplayer aus Sicherheitsgründen heute nicht mehr gerne
verwendet/unterstützt wird, stelle ich auf eine andere Darstellung um und werde 
hier nach und nach neue Seiten einfügen. Derzeit sind folgende Galerien
eingestellt:

Aufschlüsse

Aufschluss Mammendorf
Aufschluss Atzendorf
Bohrungen bei Latdorf
Tagebau Amsdorf

 

Fossilien
Latdorfium
Latdorf-Fossilauslesen
Gastropoden aus dem Latdorfium 1
Gastropoden aus dem Latdorfium 2
Gastropoden aus dem Latdorfium 3
Gastropoden aus dem Latdorfium 4
Gastropoden aus dem Latdorfium 5
Bivalven aus dem Latdorfium 1
Bivalven aus dem Latdorfium 1

Rupelium
Mollusken aus der Böhlen-Fm. 1
Mollusken aus der Böhlen-Fm. 2
Mollusken aus der Böhlen-Fm. 3
Haizähne aus der Böhlen-Formation
Fossilien von Tagebau Amsdorf 1
Fossilien von Tagebau Amsdorf 2
Fossilien von Tagebau Amsdorf 3
Gastropoden von Mammendorf 1
Gastropoden von Mammendorf 2
Gastropoden von Mammendorf 3


ALLE INFORMATIONEN:

 * Fossilien aus dem Latdorfium
 * Felslitorale-Mammendorf-1
 * Felslitorale-Mammendorf-2



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