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 * Workshops
   
 * Künstler*innen
   
 * Journalist*innen
   
 * Team
   


VERSAMMLUNG


QUIRLIGE DEBATTEN, PRÄZISE FORDERUNGEN: DAS WAR DIE VERSAMMLUNG DER WÜNSCHE

Wunschpunsch, Fußbäder und Glitzer fürs Gesicht: Anheimelnd und ungewöhnlich
sollte es zugehen bei der Versammlung der Wünsche im Ringlokschuppen Ruhr.
Bereits der Empfang der Teilnehmenden aus den soziokulturellen Zentren, freier
Kulturszene, Politik und Verwaltung ließ aufmerken: Überall fanden sich
Anregungen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Und so diskutierte man an der
Handy-Einnäh-Station die Herausforderungen permanenter Erreichbarkeit, am
Getränketresen tauschten sich die Menschen darüber aus, welche der zehn Tassen
zum Mitnehmen am besten gefiel: „Danke an alle für die harten Jahre!“ oder doch
lieber „Jünger, wilder, kreativer“?

Die Teilnehmenden bei der Eröffnung der Versammlung der Wünsche. Foto: Ines
Heider

200 Teilnehmende kamen am 26. Januar bei der Versammlung der Wünsche zusammen,
um über die Zukunft der Soziokultur zu diskutieren. Der experimentelle
Zukunftskongress von Soziokultur NRW stand unter der Fragestellung: Was macht
Soziokultur im 21. Jahrhundert aus? „Soziokultur neu denken!“ lautete der
Untertitel der Veranstaltung und gab damit gleich die Richtung vor. Raus aus
gewohnten Mustern! Zahlreiche künstlerische und performative Impulse zeichneten
den Tag aus: Die Kulturwissenschaftlerin und Künstlerin Sibylle Peters hatte sie
gemeinsam mit ihrem Team entwickelt und auf die soziokulturelle Szene
zugeschnitten. Zudem erwartete die Teilnehmenden ein umfangreiches
Workshop-Programm, für das elf Künstlerinnen und Künstler gewonnen werden
konnten. Ihre Sessions bewegten sich zwischen Kunst und Aktivismus und zielten
darauf ab, die soziokulturelle Praxis mit neuen Ideen zu inspirieren.

Die an der Versammlung der Wünsche beteiligten Künstler*innen stellen ihre
Workshops vor. Foto: Ines Heider

Die Begeisterung für die Arbeit, das überzeugte Eintreten für die Werte und
Arbeitsweisen der Soziokultur lag über dem gesamten Kongress. Ein engagiertes
Netzwerk fand hier zusammen, das sich austauschte über Fragen, die viele aktuell
bewegten. Die Themen des Zukunftskongresses: die schwierige Finanzsituation der
Zentren, der Sanierungsstau der Häuser, das komplexe Antragswesen, das vor allem
den Neulingen und den kleinen Häusern in der Soziokultur schwerfällt. Doch auch
die persönlichen Herausforderungen der Akteur*innen der Soziokultur kamen zur
Sprache, wie die fehlende Anerkennung für die eigene Arbeit oder der
Generationenwechsel, der gerade viele Häuser bewegt.

Die Künstlerische Versammlungsleiterin Sibylle Peters (mit Mikro). Foto: Ines
Heider

Die Arbeitsbedingungen der Soziokultur? Oftmals problematisch. Viele Zentren
erhalten Unterstützung von den Kommunen, allerdings nicht alle und diese nur
anteilig. Zwischen 30 % und 70 % der Kosten müssen von den Häusern in NRW selbst
erwirtschaftet werden – ein hoher Anteil. Und so steht das Kümmern um die
wirtschaftliche Basis der Zentren immer wieder den kulturellen, politischen und
sozialen Aktivitäten im Weg, um die es eigentlich gehen sollte.  

Alleiniger Fokus auf den Tag: Die Handy-Einnäh-Station am Empfang der
Versammlung der Wünsche. Foto: Ines Heider

Eine Strukturförderung, die in Ländern wie Hessen, Baden-Württemberg oder
Hamburg bereits erfolgreich etabliert wurde und dort für wesentlich bessere
Ausgangsbedingungen sorgt, könnte hier Abhilfe schaffen. Die Forderung danach
war ein zentrales politisches Anliegen der Versammlung der Wünsche. Auch eine
nachhaltige Sanierung der Häuser stehe dringend an und müsse mit einer
entsprechenden finanziellen Ausstattung versehen werden. Denn viele Zentren
feiern bereits ihr 40. oder 50. Jubiläum. Da sie aber schon immer schlecht
finanziell ausgestattet waren, ist der Sanierungsstau groß. Nicht mehr
hinnehmbar, befand die Versammlung.

Dass die Soziokultur ein Erfolgsmodell ist, war für viele der Anwesenden keine
Frage. Die Soziokultur sei schon immer gut darin gewesen,
Transformationsprozesse aufzugreifen und weiter voranzubringen. Umso wichtiger,
dass ihre Stimme bei den gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen
wir gerade stehen – Klimawandel, Energiekrise, Erstarken antidemokratischer
Stimmen, um nur einige zu nennen – Gehör findet.

Diskussionsfreudig und interaktiv: Die Versammlung der Wünsche war immer in
Bewegung. Foto: Ines Heider

Damit dies mit Nachdruck geschieht, sollte auf der Versammlung der Wünsche ein
Manifest entstehen. Bereits im Vorfeld hatte eine Reihe von Interviews mit
Akteur*innen der Soziokultur stattgefunden. Deren zentrale Aussagen hatten
Sibylle Peters und ihr Team in einen Textentwurf zusammengefasst, und dieser
stand nun abschließend zur Diskussion. Moderiert durch das künstlerische Team
wurden Passagen in Kleingruppen diskutiert, einzelne Aussagen verworfen,
kollektiv an Formulierungen gefeilt. Schnell entspann sich eine lebhafte und
überraschend präzise Diskussion über die zentralen Forderungen, auf die man sich
verständigen wollte. Und schließlich war es da, das „Manifest der Soziokultur in
NRW“.

Staatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert (li.) und Heike Herold (re.) bei der
Überreichung des Manifests. Foto: Ines Heider

Die Staatssekretärin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes
Nordrhein-Westfalen, Gonca Türkeli-Dehnert, konnte den letzten
gemeinschaftlichen Handschlägen am Text beiwohnen, als sie zur Versammlung der
Wünsche hinzustieß. Rasch wurde das zweiseitige Dokument auf der Bühne
ausgedruckt, mit den Unterschriftenlisten aus dem Plenum in eine
poppig-glitzernde Mappe gelegt und ihr feierlich überreicht.

„Wir haben Ihre große Verantwortung in der Pandemie sehr wohl wahrgenommen.
Danke für Ihren unermüdlichen Einsatz!“, rief sie den Anwesenden zu. In ihrem
Grußwort machte sie sich dafür stark, den Dialog zwischen Politik, Verwaltung
und Soziokultur fortzusetzen. Im Jahr 2023 gehe es darum, die Förderkonzepte auf
den Prüfstand zu stellen. Auch die Idee einer Strukturförderung werde wohwollend
geprüft.

Kurt Eichler vom Fonds Soziokultur im Gespräch. Foto: Ines Heider

Kurt Eichler vom Fonds Soziokultur drückte den Anwesenden ebenfalls seine
Wertschätzung aus und zeigte sich begeistert von dem Tag. Er beglückwünschte die
Szene in NRW dazu, dass das Kulturgesetzbuch des Landes Nordrhein-Westfalen die
Soziokultur mit einem eigenen Paragraphen fest im Blick habe. Das sei anders als
die Gesetzgebungen anderer Länder und ermögliche die notwendigen
stabilisierenden Maßnahmen für die multifunktionalen Häuser.

Der Vorstand von Soziokultur NRW. Foto: Ines Heider

Und so war die Versammlung der Wünsche vieles auf einmal: Diskussionsforum,
Performance, Experimentierort für unterschiedliche künstlerische Formate und
Bühne für politische Forderungen. Hervorragend geeignet, „um die Kraft und die
Potenziale der Soziokultur herauszustellen“, freute sich Heike Herold,
Geschäftsführerin von Soziokultur NRW. Viele dieser Fäden werden fortgeführt –
nicht zuletzt im Dialog mit der Politik über eine strukturelle Förderung der
Soziokultur auch in Nordrhein-Westfalen. Würde diese eingeführt, wäre ein
Meilenstein erreicht. Die Versammlung der Wünsche hätte vielleicht ihren Anteil
daran.

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