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Rechtsanwältin Boving LL.M.

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Corona und die rechtlichen Folgen – hier die Gewerbemiete

Die Ankündigung von großen Konzernen und Firmen, die gewerblichen Mieten
auszusetzen, hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Bei diesem Ansturm der
Entrüstung, stellt sich der Jurist sofort die Frage, was der Gesetzgeber und die
Rechtsprechung für solche Sachverhalte geregelt hat. Konzerne wie Adidas oder
Deichmann haben gravierende Umsatzeinbrüche zu verzeichnen; die Fa. Deichmann
mußte nach eigenen Angaben 96% (!) ihrer Ladenlokale weltweit schließen; die
aktuellen Modelle für das Frühjahr wurde gerade gefertigt und bereits bezahlt,
so dass diese Unternehmen einen erheblichen Liquiditätsabfluss zu verzeichnen
haben. Deshalb ist es nur legitim und auch verständlich, wenn Unternehmen, auch
dieser Größe, darüber nachdenken, wie Liquidität gesichert werden kann. Hier
können Gespräche über Mietstundungen oder Kürzungen ein Puzzleteil sein,
sicherlich nicht das Einzige. Doch vielmehr noch im Fokus sind die
Kleinbetriebe, Pächter von Gaststätten, Kinos, der klassische Einzelhandel etc.

Der Gesetzgeber hat nun sehr zügig mit den Regelungen zu dem Recht der Stundung
von Mietzahlungen und dem Kündigungsverbot einen Ausgleich gesucht, wonach der
Mieter eine Liquiditätshilfe bekommen soll, aber der Vermieter sein Recht auf
Zahlung des Mietzinses, eben gestundet, beibehält. Hier stand im Vordergrund,
dass gerade der Privatmann, die Arbeitnehmer und Kleinunternehmer geschützt
werden sollten, wenn die Liquidität wegen Corona erheblich gemindert ist.

Doch auch hier stellt sich die Frage der gerechten Lastenverteilung: was macht
der private Vermieter, der noch Finanzierungen zu bedienen hat, der von den
Mieterträgen seine Altersversorgung abgesichert hat? Hier werden weitere
Lösungen gefunden werden müssen, eben wie Stundungen von Darlehensraten oder
ggf- die Bereitstellung von neuen Darlehen, welche später durch die –
hoffentlich- nachgeholten Mietzahlungen getilgt werden; auch darauf verweisen
die nun neu erlassenen Regelungen.

Im gewerblichen Bereich stellt sich die Frage, ob der Unternehmer oder
Kapitalanleger, der in ein Unternehmen investiert hat, weniger schutzwürdig sein
soll wie der Immobilieninvestor und deshalb etwa Dividenden zu streichen sind
etc. Letztlich werden alle einen Weg finden müssen, um aus dieser
außerordentlichen Wirtschaftskrise ohne zu starke Folgen wieder herauszukommen.
Ein moralisches Urteil hier zu fällen, erscheint fraglich. Insoweit ist es aber
auch spannend, dass das Bürgerliche Gesetzbuch bereits seit über 100 Jahren für
solche Fälle eine emotionslose, und faire Lösung vorsehen könnte!

Der Tatbestand ist, dass die Geschäftslokale im Einzelhandel durch behördliche
Auflage geschlossen werden mussten. Damit ist der Geschäftszweck der
gewerblichen Mietverträge zumindest temporär entfallen.

Kurz abgehandelt ist der sog. Rechtsmangel: dieser ist nicht gegeben, da die
Beeinträchtigung nicht durch Rechte Dritter gegeben ist; öffentlich-rechtliche
Beschränkungen oder Verbote zählen nicht zu Rechtsmängeln.

Die Meinungen gehen jedoch bereits bei der Prüfung, ob ein Sachmangel vorliegt,
auseinander.

Man spricht von einem Sachmangel, wenn der Vertragsgegenstand für den
vertragsgemäßen Gebrauch nicht geeignet oder eingeschränkt ist. Ein Sachmangel
kann sich sowohl aus der Beschaffenheit des Mietobjektes als auch aus seinen
Beziehungen zur Umwelt oder aus öffentlich-rechtlichen Beschränkungen ergeben.

Eine starke Rechtsmeinung verneint vorliegend ein Minderungsrecht wegen
Sachmangels, da der Mangel in dem Vertragsgegenstand, hier die Gewerbefläche
selber begründet sein muss, und auch bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen
sich diese auf den Vertragsgegenstand beziehen müssten, etwa weil baurechtliche
Genehmigungen zu dem Mietobjekt fehlen; der „Mangel“ darf nicht in persönlichen
oder betrieblichen Umständen des Mieters seine Ursache haben.. Hier aber handele
es sich um ein allgemeines öffentlich-rechtliches Verbot, unabhängig von dem
konkreten Mietobjekt, so dass ein Sachmangel des einzelnen Objektes nicht
gegeben sei; der Vermieter müsse das Objekt lediglich in einem
vermietungsfähigen Zustand erhalten. Die behördlichen Auflagen betreffen die
Schließung des Betriebes, nicht aber des Vermietungsobjektes als solches. Als
Vergleichsfall wird hier u.a. das Rauchverbot in Gaststätten angeführt, wo der
Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, dass diese behördliche Einschränkung
dem sog. Verwendungsrisiko des Mieters zuzuordnen ist, und das Rauchverbot
keinen Mangel des Mietobjektes selber begründet.

Die Gegenposition argumentiert, dass etwa eine fehlende Genehmigung – oder im
Umkehrschluss ein behördliches Verbot – auch eine Aufhebung oder erhebliche
Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch zur
Folge haben kann. Das Reichsgericht hatte bereits 1915 das kriegsbedingte Verbot
öffentlicher Tänze in einem Tanzlokal als Sachmangel eingestuft.

Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass das Vorliegen eines Sachmangels
eher kritisch gesehen wird. Es wäre auch bei einer wirtschaftlichen
Betrachtungsweise fraglich, wenn damit dem Vermieter alleine und ausschließlich
das Risiko dieses behördlichen Verbotes auferlegt würde. Deshalb ist ein anderer
rechtlicher Ansatz näher liegend, der sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage – ein
alter Rechtsgrundsatz, der bereits dem römischen Recht entstammt.

Legen beide Parteien dem Vertrag gemeinsam eine bestimmte Erwartung zugrunde –
hier die Nutzung der Gewerbefläche zu dem vertraglich vereinbarten Zweck -,
deren Enttäuschung nicht in den Risikobereich einer Partei fällt, sondern durch
äußere Umstände vereitelt wird, welche keine der Vertragsparteien zu
verantworten hat, so geht die in § 313 BGB verankerte Lehre der
Geschäftsgrundlage davon aus, dass eine Aufrechterhaltung des Vertrages ohne
Modifikation nicht angemessen ist, und nach einem Ausgleich zu suchen ist.

Dreh- und Angelpunkt der rechtlichen Diskussion ist die Frage, ob das hier
eingetretene Risiko der Schließung des Betriebes in den Risikobereich einer
Partei fällt, nämlich des Mieters.

So stützt sich der Einwand der Kritiker darauf, dass das Verwendungsrisiko des
Mietobjektes ausschließlich von dem Mieter/Pächter zu tragen, und deshalb die
behördliche Anordnung der Schließung für den Mieter zumutbar sei.

Allerdings haben wir große Bedenken, ob dieses noch das allgemeine
Verwendungsrisiko ist, welches ausschließlich der Mieter zu tragen hat.
Geringere Umsätze und verminderter Gewinn, ja auch ein behördliches Rauchverbot
können als typisches Verwendungsrisiko eingestuft werden, aber die behördliche
Untersagung der vertraglich vorgesehenen Nutzung des Vertragsobjektes, welche in
keinerlei Zusammenhang mit dem Betrieb des Mieters steht, ist etwas anderes.
Dieses Risikos eines Verbotes kann nicht ausschließlich dem Mieter aufgebürdet
werden. Schließlich haben die Parteien in dem Mietvertrag in der Regel als
Vertragszweck die Vermietung der Fläche für den Betrieb eines bestimmten
Gewerbes, sei es Einzelhandel, Gastronomie, Friseursalon etc. vereinbart.
Deshalb sehen wir in der behördlichen Auflage, den Einzelhandel, Gaststätten
etc. zu schließen als einen Eingriff in das bestehende Vertragsverhältnis und
die Rechte des Mieters, welcher nicht mehr dem allgemeinen Verwendungsrisiko des
Mieters unterfällt. Vielmehr ist dies das Risiko beider Vertragsparteien, welche
auch gemeinsam diese Nutzung bei Abschluss des Mietvertrages zugrunde gelegt
haben. Diese vertraglich vereinbarte Nutzung ist nun beiden Vertragsparteien
untersagt worden, da der Vermieter schließlich auch nicht an einen Dritten
vermieten kann; und nicht alle Vermieter werden ad hoc an Lebensmittelgeschäfte,
Apotheken etc. neu vermieten können. Damit trifft die behördliche Anordnung
beide Parteien in dem von ihnen vereinbarten Vertragszweck, so dass eine
Anpassung der vertraglichen Pflichten auf Grundlage der Regelungen zum Wegfall
der Geschäftsgrundlage angemessen und geboten ist.

Zum Schluss ist noch ein Aspekt zu beleuchten, nämlich ob der Gesetzgeber mit
den Neuregelungen im Zuge von COVID-19 ggf. bereits ein lex specialis zu den
allgemeinen schuldrechtlichen Normen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
geschaffen hat bzw. diese für diesen konkreten Anlass bereits weiter ausgeformt
hat. Dies würde bedeuten, dass der Gesetzgeber bereits eine gesetzliche
Grundlage für die Anpassung der Geschäftsgrundlage vorgenommen hat, wonach die
Mietzahlung für einen begrenzten Zeitraum ausgesetzt werden kann, aber
nachzuholen ist, und ein Kündigungsrecht des Vermieters entfällt.  Wir glauben
allerdings nicht, dass der Regelungswille des Gesetzgebers hier so breit gefasst
sein sollte.

Als Fazit bleibt, dass die öffentliche Entrüstung zu den angekündigten
Mietkürzungen rechtlich betrachtet verfrüht erscheint. Es kann an die Parteien
jeweils nur appelliert werden, angemessene Lösungen im gemeinsamen Gespräch zu
finden, bei denen die jeweiligen Besonderheiten berücksichtigt werden.    

Dies ist nur ein rechtlicher Teilaspekt, der durch die Wirren von COVID-19
ausgelöst wurde. Es stellen sich vielfältige Rechtsfragen, sei es im Bezug auf
Lieferverspätungen, Vertragsstrafen, Warenkreditversicherungen, im Arbeitsrecht
wie auch bei Kreditverbindlichkeiten und häufig damit verbunden auch die evtl.
Option, sich von Verträgen lösen zu können.

Wir beraten Sie gerne in diesen leider unsicher gewordenen Zeiten, und empfehlen
immer das Gespräch mit der anderen Seite zu suchen, allerdings mit der
entsprechenden anwaltlichen Begleitung.


Copyright © 2020 Rechtsanwältin Boving LL.M.

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